Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall
gekünstelte Sprachweise Dr. Pflegers nachzuahmen. „ Warum wollen Sie die Mörder nicht festnehmen, wenn Sie sie doch schon ermittelt haben?“
„Ganz einfach, Herr Hauptkommissar, weil wir die Köpfe der Organisation haben wollen.“
„Welcher Organisation?“
„Mensch, Tannenberg, sind Sie schwer von Begriff!“, konnte sich Dr. Hollerbach nun doch nicht mehr verkneifen. „Welche Organisation? Die Mafia natürlich!“
Tannenberg lachte: „Die Mafia! Die Mafia mitten im Pfälzer Wald?“
„Genau – und zwar die international agierende Organ-Mafia“, warf Dr. Pfleger ergänzend ein.
„Die Organ-Mafia?“
Tannenberg verstand allmählich überhaupt nichts mehr. Er fragte sich ernsthaft, ob er dies alles hier vielleicht nur träumte, zu unwirklich erschien ihm das, was ihm eben von höchster Stelle, wie man ja so schön sagte, mitgeteilt worden war.
„Die Organ-Mafia?“, wiederholte er ungläubig. „Bei uns hier? … Und wo?“
„In der privaten Schlossklinik in Trippstadt. Dort unter anderem treibt diese verbrecherische Organisation ihr Unwesen. Wir …“
Weiter kam Dr. Pfleger nicht, denn Tannenberg stürzte wie ein Besessener auf ihn zu, packte ihn mit beiden Händen an der Schulter und schüttelte ihn.
„Tannenberg, sind Sie nun völlig verrückt geworden? Hören Sie sofort mit diesem Irrsinn auf!“, schrie Dr. Hollerbach energisch und wollte gerade dem völlig überraschten Kriminaldirektor zur Hilfe eilen – auch unter Einsatz körperlicher Gewalt, falls es notwendig sein sollte.
Aber das war nicht mehr nötig, denn in Wolfram Tannenberg kehrte augenscheinlich die Vernunft zurück. „Entschuldigung!“ Er löste seine Hände von Dr. Pflegers Sakko, ließ sie kraftlos neben seinen Körper herabsinken und ging mit nach unten geneigtem Kopf zwei Schritte zurück. „Das ist ja der blanke Wahnsinn, der reinste Albtraum“, murmelte er dabei geistesabwesend vor sich hin.
„Was ist denn los mit Ihnen, Herr Kollege“, fragte der BKA-Beamte einfühlsam mit leiser Stimme. „Warum um Himmels Willen reagieren Sie denn derart emotional auf diese Mitteilung?“
„Weil Mariekes Freund Max in dieser verdammten Klinik liegt – und vor zwei Tagen für hirntot erklärt worden ist.“
„Wer ist denn Marieke? Und wer um alles in der Welt ist denn dieser Max?“, wollte der völlig verwirrte Polizeipräsident wissen.
„Marieke ist meine Nichte und …“
„Maximilian Heidenreich ist ein Patient der Schlossklinik“, sagte plötzlich ein Mann, den Tannenberg zwar die ganze Zeit irgendwie aus den Augenwinkeln wahrgenommen, aber nicht bewusst registrierte hatte, weil dieser leblos wie ein Möbelstück, von ihm abgewandt auf einem Stuhl am Fenster gesessen hatte.
„Woher wissen Sie das? Wer sind Sie überhaupt?“, fragte Tannenberg, dessen verschütteter kriminalistischer Spürsinn sich auf einmal wieder bemerkbar machte.
„Entschuldigen Sie, Herr Hauptkommissar, dass ich Ihnen den Herrn noch nicht vorgestellt habe. Aber wir hatten eigentlich vereinbart, dass wir Sie zunächst noch ein wenig besser über den Sachverhalt aufklären wollten, bevor wir ihn mit in unser Gespräch einbeziehen“, erläuterte Dr. Pfleger.
„Labern Sie nicht so lange rum! Wer ist das?“, polterte Tannenberg in seiner direkten Art dazwischen.
„Das ist Dr. Wessinghage. Er ist Oberarzt in der Schlossklinik und …“
„Undercover, oder wie?“
„Nun aber mal langsam, Herr Kollege“, entgegnete der BKA-Beamte mit barscher Stimme.
„Ich schlage vor, Sie halten sich jetzt mal noch eine Weile mit Ihren Fragen und provokativen Bemerkungen zurück – und hören die nächste Zeit einfach nur mal zu. Wir werden Sie jetzt nämlich in Dinge einweihen, nach deren Kenntnis Sie sicherlich verstehen werden, weshalb wir uns hier in diesem Raum unter höchster Geheimhaltungsstufe treffen und nichts, aber auch gar nichts davon nach außen dringen darf. Haben wir uns verstanden?“
„Ja“, war alles, was der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission antwortete, bevor er sich still an einen kleinen Konferenztisch setzte und sich mit zitternden Händen eine Tasse Kaffee einschenkte.
„Gut. Dann fangen wir mal an. Meine Abteilung beschäftigt sich schon seit einigen Jahren mit dem Thema ›illegaler Organhandel‹. Da es sich dabei um ein globales Problem handelt, kooperieren wir verständlicherweise auf internationaler Ebene. Wir haben lange gebraucht, um uns einen gewissen Überblick darüber zu verschaffen, mit
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