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Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall

Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall

Titel: Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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Demenz-Kranker von Ellen zu einem der aneinandergereihten Besucherstühle führen ließ.
    Jedes Mal, wenn Tannenberg sich in der Folgezeit an diesen Abend zurückerinnerte, sollte ihm stets ein Zentralbegriff dazu einfallen, der diese horrormäßige Geisterbahnfahrt in einem prägnanten Terminus zusammenfasste: Albtraum!
    Denn nicht nur der Oberstaatsanwalt, Betty und Heiner waren bei dieser todlangweiligen Veranstaltung zugegen, sondern auch Ellens Noch-Ehemann, mit dem sie zwar nicht mehr zusammenlebte, von dem sie aber noch nicht geschieden war. Wenigstens blieb er von einem Kontakt mit diesem Mann verschont, wurde ihm nicht vorgestellt. Ellen deutete lediglich einmal kurz auf ihn, als er in einer kleinen Pause zwischen den verschiedenen Darbietungen an der Champagnerbar stehend, heftigst mit einer jüngeren Frau flirtete.
    Musikalische Lesung – was es bei diesem Kulturkäse so alles an Schwachsinn gibt!, dachte Tannenberg, während ein grauhaariger, recht unscheinbar wirkender Mann damit begann, mühevoll aus einem ziemlich schmalen Büchlein vorzulesen.
    Auch noch aus einem Kriminalroman!, stöhnte der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission, nachdem er wohl oder übel den inhaltserläuternden Einlassungen des Autors zumindest am Anfang ein kleines Stückchen weit gedanklich gefolgt war.
    Wenn er es richtig verstanden hatte ging es in diesem Buch um eine hanebüchene Story eines bitterbösen, bestialisch mordenden Stardirigenten. Nun war ihm zwar klar, weshalb er an diesem Abend nicht nur eine langweilige Lesung, sondern dazwischen auch noch dieses ungeliebte Streichergekratze ertragen musste, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass er sich in diesem ihn zusehends aggressiver stimmenden Kulturzirkus immer unwohler fühlte.
    Während er krampfhaft versuchte, wenigstens äußerlich einigermaßen die Contenance zu wahren, wütete in seinem Inneren ein fürchterliches Gemetzel zwischen dem emotionaleren Teil seiner Persönlichkeit, der diesen Albtraum durch Fluchtverhalten sofort beenden wollte und der rationalistischeren Abteilung, die ohne Unterlass das ihres Erachtens unglaublich gewichtige Argument für sich ins Feld führte, dass Tannenberg unmöglich einen Eklat provozieren konnte, wollte er es sich nicht dauerhaft mit Ellen verderben. Und genau das wollte er ja nun wirklich nicht.
    Also riss er sich zusammen, versuchte sich irgendwie abzulenken. Aus dem einschläfernden Vortrag des Märchenerzählers klinkte er sich aus. Für längere Zeit nahm er die aufdringliche Stimme des Schriftstellers nur noch als dezentes Hintergrundgeräusch wahr.
    Recht bald stieß er auf etwas, das ihn für eine Weile in Beschlag nahm. Bei dem Objekt, das seinen Blick fortan magisch anzog, handelte es sich um einen etwa 1,2 m hohen Wasserspender, der in der rechten Ecke des Foyers stand und zu dem sich immer mal wieder ein Besucher mit behutsamen, leisen Schritten hinbegab, um sich in einen kleinen weißen Plastikbecher Wasser zu zapfen und diesen an Ort und Stelle auszutrinken.
    Das war natürlich nicht das Spannende an der ganzen Sache, viel interessanter waren die blubbernden Luftblasen, die direkt nach der jeweiligen Wasserentnahme von unten nach oben zum Deckel des durchsichtigen, bläulichen Behälters strebten und sich dort im ursprünglichen Wortsinne in Luft auflösten.
    Aber irgendwann hatte diese Ablenkungsmöglichkeit ihre Attraktivität verloren.
    Was nun?, fragte er sich selbst.
    Er entschied sich für ein Spiel.
    Nur welches?
    Angestrengt grübelte er über diese Frage nach.
    Dann hatte er die Lösung gefunden: Ich zähle einfach die ›ähms‹ des Mannes, die er bis zum Schluss seines langweiligen Gestammels verwendet. Gut! … Und wette mit mir, dass er mehr als 200 Mal ›ähm‹ sagt … Und was ist mein Gewinn? Was muss ich machen, wenn ich verliere?
    Auch dafür hatte er bald Vorschläge parat: Wenn ich gewinne, darf ich diesen bescheuerten Nasen- und Ohrhaarrasierer in den Müll werfen, den mir Rainer geschenkt hat – und das ist der Clou an der Sache: ohne jegliche Gewissensbisse!
    Und was machst du, wenn du verlierst?, schrie plötzlich sein innerer Quälgeist vorlaut dazwischen.
    Tannenberg überlegte nicht lange. Dann muss ich Heiners Sakko in die Reinigung bringen und übernehme selbstverständlich die anfallenden Kosten, gab er
energisch zurück.
    „Sollen wir gehen?“, fragte plötzlich Ellen Herdecke mit flüsternder Stimme.
    „Wieso?“, gab Tannenberg konsterniert in einer derart

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