Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall
Stellenwert von ›Halbgöttern in Weiß‹ haben, die unmittelbare Nähe zum Rinntal …, das einem bei Bedarf junge, gesunde Organspender in nahezu unbegrenzter Anzahl liefert. – Irgendwie genial!“
„Du, das hört sich ja fast so an, als ob du diese perversen Typen bewundern würdest.“
„Was heißt bewundern? Aber ich muss schon feststellen, dass die Logistik und Perfektion, mit der hier anscheinend zu Werke gegangen wird – schließlich spricht man ja nicht umsonst von ›Organisierter Kriminalität‹, mich schon irgendwie beeindruckt. Du kennst doch mein Faible für spannende Strategiespiele, das du im Übrigen ja auch teilst.“
„Aber zwischen Schach oder Backgammon und dem, was die hier machen, gibt es doch wohl einen gewaltigen Unterschied …“
„Und der wäre?“
Tannenberg stemmte seine Hände in die Hüften. „Muss ich dir das wirklich erklären?“ Er blickte Dr. Schönthaler herausfordernd an. Aber als dieser nicht antwortete, ergänzte er: „Hier werden junge, hoffnungsvolle Menschenleben ausgelöscht!“
„Und andere damit gerettet!“, parierte der Rechtsmediziner. „Und wenn du die ganze Sache einmal streng ökonomisch betrachtest, musst du sogar feststellen, dass mit einem Menschenleben, das beendet wird, das Leben mehrerer Menschen gerettet wird. Schließlich liefert ein junger, gesunder Organismus zwei gesunde Nieren, eine Leber, ein Herz usw.“
„Du bist ja genauso verrückt und pervers wie diese Verbrecher in der Klinik!“
„Na, jetzt übertreibst du aber ein wenig!“
„Wieso? Da liegt der arme Max als absolut handlungsunfähiges, lukratives Materiallager in dieser Klinik, ist ein lebloser Spielball einer übermächtigen Interessengruppe, einer Organ–Mafia, die anscheinend einen zwar illegalen, sicherlich aber gerade deshalb besonders einträglichen Handel mit menschlichen Innereien betreibt. Und du bewunderst diese teuflischen Metzgergesellen auch noch! Das gibt’s doch gar nicht!“
„Ich wollte dir nur einmal ganz nüchtern die rein medizinische Seite dieser Sache veranschaulichen, die ja im Übrigen die legale Organvermittlung ganz genauso handhabt. Ich weiß, dass die Schlossklinik auch Eurotransplant beliefert. Ganz offiziell natürlich.“
„Ja, klar, das ist ja auch richtig so. Aber da handelt es sich doch tatsächlich um Hirntote, die eines natürlichen Todes gestorben sind und die freiwillig ihre Organe gespendet haben“, antwortete Tannenberg mit dem Brustton der Überzeugung.
„Bist du da wirklich ganz sicher, alter Freund?“
„Wieso?“
„Ich will ja nichts behaupten, was ich nicht beweisen kann. Aber du weißt doch genauso gut wie ich, dass in Deutschland, wo sowieso schon viel weniger als in anderen Ländern obduziert wird, aus Kostenspargründen die Etats der gerichtsmedizinischen Institute immer weiter zusammengestrichen werden.“
„Ja, ich weiß, ich kenne deine Argumente nur zu gut: Ich weiß, dass höchstens die Hälfte der unnatürlichen Todesfälle überhaupt entdeckt wird.“
„Und dass es dabei eine sehr hohe Dunkelziffer gibt, ist dir auch bekannt. Und du weißt genauso gut wie ich, wie viele unentdeckte Mörder deshalb hier immer noch frei mitten unter uns herumlaufen.“
„Ja, ich weiß.“
„Wie sagt der Volksmund so schön: ›Wo kein Kläger, da auch kein Richter.‹ Und Tote können nun mal nicht mehr ihre Mörder verklagen. Wir, die Rechtsmediziner sind die einzigen, die diesen unzähligen Mordopfern ein wenig Gerechtigkeit verschaffen können! … Wenn es ihnen leider auch nicht mehr viel nützt.“
„Du hast ja Recht. Wenn Morde nicht mehr als Morde erkannt werden, leben die Täter in paradiesischen Zuständen. – Mann oh Mann, was für eine verrückte Welt!“
„Übrigens bin ich mir sicher, dass die ärztlichen Mitarbeiter dieser Organisation in diesem Bereich alle Tricks kennen.“
Tannenberg warf die Stirn in Falten. „Was meinst du damit?“
„Na ja, man könnte zum Beispiel die Monitore manipulieren, die angeblich die Hirnströme des Komapatienten messen … Oder man könnte den ausgeplünderten Leichnam als hoch infektiös deklarieren und ihn unter Quarantäne stellen, ihn dann verbrennen lassen. Dadurch könnte man Recherchen vonseiten der Angehörigen verhindern. Man könnte Organspendeausweise professionell fälschen …“
„Komm, jetzt hör aber mal auf! Du bist ja genauso ein Dr. Frankenstein, wie diese Verbrecher!“
„Warum? Ich bin nur ein kreativer Spieler. Und ich denke nur
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