Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall
bestimmte Dinge, ich tue sie nicht. Das ist der kleine, aber entscheidende Unterschied! – Aber mal was anderes: Um diesem Maximilian zu helfen und ihn zu beschützen, könnte ich mich doch als Undercover einschleichen.“
„Was? Du?“
„Ja, warum denn nicht? Zum Beispiel als Mediziner des Gesundheitsamtes oder als Mitarbeiter von Eurotransplant oder als Medizinjournalist, der eine Reportage über Unfallkliniken schreiben will.“
„Also, das ist keine besonders gute Idee!“
„Wieso denn, Wolf?“
„Na ja, weil es von dieser Berufsgruppe schon zwei Tote gibt.“
„Ach so. Ich verstehe: Dann waren die beiden, die man am Heiligenbergtunnel gefunden hat und mit deren Einzelteilen ich bei mir in der Pathologie gepuzzelt habe, zwei Journalisten?“
„Ja, es waren holländische Journalisten. Die haben anscheinend über illegalen Organhandel recherchiert.“
„Aber jetzt mal im Ernst, Wolf: Ihr könntet mich doch verkabeln und auf diese Weise alles mithören. Und wenn die mir an die Wäsche wollen, schlagt ihr zu.“
„Du spinnst ja, ich glaube, du schaust dir eindeutig zu viele Krimis an. Was meinst du wohl, was das BKA von deiner Idee halten würde?“
„Die bräuchten das doch gar nicht mitzukriegen!“
Nur ein paar hundert Meter Luftlinie von der Straße ›Am Galgen‹ entfernt, versuchte sich Maximilian Heidenreich etwa zur gleichen Zeit Klarheit über seine derzeitige Situation zu verschaffen.
Bin ich überhaupt noch am Leben?
Er schickte einen dringlichen Hilferuf an seine Sinnesorgane.
Ich hab Kopfschmerzen … Da ist auch ein Wundgefühl im Mund und im Rachen … Ich hab kalt …, saukalt sogar!
Er setzte sich an den trüben Teich seiner Erinnerungen, warf die Angelrute hinein und hoffte darauf, dass er irgendetwas Verwertbares herausfischen könnte.
Nach einigen erfolglosen Versuchen wurde plötzlich der See von unten her beleuchtet und er bekam eine Szene vorgespielt, die sich genau so vor zwei Tagen an seinem Bett zugetragen hatte: Die Oberschwester entdeckte, dass seine Körpertemperatur auf über 40 Grad angestiegen war. Umgehend verständigte sie Professor Le Fuet, der sofort die Gabe eines fiebersenkenden Medikaments und die Verabreichung von Antibiotika anordnete. Bevor er den Raum wieder verließ, tätschelte der Leiter der Schlossklinik Maximilians Wade mit den aufmunternden Worten ›Mein junger Freund, aufgeschoben ist nicht aufgehoben!‹
Hat der mir wirklich die Wade getätschelt und das gesagt?
Die schummrige, verklärte Welt seiner Gedanken lichtete sich immer mehr.
Dann hat dieses Fieber meine Hinrichtung aufgeschoben – aber eben nicht aufgehoben! Was natürlich logischerweise bedeutet, dass die nur abwarten, bis das Fieber wieder unten ist.
„Ja, da können wir wohl gegenwärtig nichts tun, Chef!“, hörte Max plötzlich eine männliche Stimme aus Richtung der Zimmertür, die sich gerade vor einem Augenblick mit einem satten Hydraulikgeräusch geöffnet hatte.
„Nein, Wessinghage, da müssen wir wohl oder übel abwarten, bis sich die Blutwerte wieder normalisiert haben.“ Professor Le Fuet reichte seinem Mitarbeiter eine braune Mappe. „Herr Kollege, sehen Sie selbst: Die neuesten Daten zeigen sehr schön, dass der junge Mann sich auf dem richtigen Weg befindet, dem Weg der Genesung. Von Gleichenstein war zwar überhaupt nicht begeistert, als ich ihn über die Sache mit dem Fieberschub informiert habe. Aber was sollen wir denn machen, wenn der Herr hier sich so mir nichts dir nichts eine Infektion einfängt. Aber die Schweizer wissen ja selbst nur zu gut, dass ein Spender vor der Explantation körperlich topfit sein muss.“
„Natürlich, Chef!“
„Sagen Sie mal, Wessinghage, was ist denn eigentlich mit den beiden Nieren für Eurotransplant? Sind wir da bald soweit?“
Was? Zwei Nieren für Eurotransplant?, wurde Max von einer Schockwelle überspült. Aber er beruhigte sich gleich wieder ein wenig. Meine sind damit wohl nicht gemeint.
Diese Vermutung wurde kurz darauf von offizieller Seite bestätigt.
„Ja, der andere Patient ist bereits vorbereitet.“
„Fein, Wessinghage! Dann wollen wir mal zur Tat schreiten! Schließlich tragen wir ja eine enorme Verantwortung für das Allgemeinwohl – sprich: die sozial ausgewogene, gerechte Organversorgung – der europäischen Bevölkerung, nicht wahr, Herr Oberarzt?“
„Genauso ist es, Herr Professor. Dessen sind wir uns hier auf dieser Station alle bewusst.“
„Es muss ja schließlich auch
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