Ohnmachtspiele
Schäfer, stand auf und wankte langsam davon.
Nach zehn Metern wurde ihm schwindlig, er sah die Umrisse der Baumkronen, dann brach er zusammen. Am Rande seines Bewusstseins nahm er wahr, wie Lopotka ihn an den Beinen packte und über die Erde schleifte.
Während sein Kopf über die Wurzeln schlug, überkam ihn eine warme Ruhe, ein gleichgültiges Glück, wie er es lang nicht mehr erlebt hatte. Hans Albrecht kam ihm in den Sinn, der schrullige Antiquar vom Alberner Hafen, und was er zu ihm gesagt hatte: Der Tod erinnert einen auch an das Leben. Dann fiel ihm der Traum ein, den er Tage zuvor in seinem Vorraum geträumt hatte: der Laternenmarsch der kleinen Kinder zum St.-Martins-Tag. Das Lied, jetzt verstand er es in seiner ganzen Bedeutung. Er zwang sich, seine Lider einen Spalt weit zu öffnen, um den Himmel zu sehen. Dort oben leuchten die Sterne, hier unten leuchten wir. Mein Licht ist aus, ich geh nach Haus. Rabimmel, rabammel, rabumm.
38
Schäfer verkniff sich die Frage, ob er schon im Himmel wäre. Damit würde er der Krankenschwester, die neben ihm stand und seinen Blutdruck maß, bestimmt nur ein erzwungenes Lächeln entlocken. Doch die Wärme, die Ruhe, die reinen weißen Laken, die Manschette, die sich um seinen Arm presste und ihm ein Gefühl von Geborgenheit gab; Bergmann und Isabelle, die sich nun aus ihren Besuchersesseln erhoben und ihm unsicher zulächelten – so würde sich der Himmel durchaus ertragen lassen.
„Wo ist Lopotka?“, wandte er sich an Bergmann, nachdem die Krankenschwester das Zimmer verlassen hatte.
„Tot.“
„Warum?“
„Er ist in den Teich gegangen.“
„So … und was war mit mir?“
„Er hat Sie auf den Steg gelegt und mit seinem Mantel zugedeckt …“
„Wie haben Sie mich überhaupt gefunden?“
„Herr Wirz aus Murau hat uns angerufen …“
„Der Wirz … dem schulde ich was …“
„… dann haben wir geschaut, welche Sendestation Ihren letzten Anruf übertragen hat … den Rest hat die Hundestaffel erledigt …“
„Ich Idiot …“
„Ganz meine Meinung“, stimmte ihm Isabelle zu und schluckte den nächsten Satz hinunter.
„Wie haben Sie überhaupt gewusst, dass Sie ihn dort finden?“
„Das habe ich gar nicht“, gähnte Schäfer, „der Holzleitner hat mir gesagt, dass sich Maurer und Lopotka immer wieder am Silberteich getroffen haben … ich wollte mir das ansehen … habe mir gedacht, dass sie vielleicht dort immer noch ihren Spielplatz haben und sich …“
„Ihre Opfer aussuchen?“, fragte Bergmann.
„Tja … diesbezüglich habe ich inzwischen meine Zweifel“, gab Schäfer zu. „Lopotka hat den Mord an Laura Rudenz gestanden. Und dass er seinen Freund Maurer überredet hat, seine Adoptivmutter Irene Chlapec zu töten … damit er schneller an das Erbe kommt … aber von einem Kartenspiel wollte er partout nichts wissen …“
„Sie glauben, dass …“ Bergmann hörte mitten im Satz auf.
„Was weiß ich …“ Schäfer seufzte. „Laut Lopotka ist der Schweizer in Maurers Wohnung an einer Überdosis gestorben … dann haben sie ihn wahrscheinlich gemeinsam zum Exelberg verfrachtet … und von Sonja Ziermann wollte er überhaupt nichts wissen …“
„Sehr seltsame Geschichte“, meinte Isabelle.
„Hmh“, machte Schäfer. „Ich weiß nicht, warum er lügen hätte sollen … ob er jetzt zwei Morde gesteht oder vier … wenn er sich sowieso umbringen will …“
„Vielleicht, um Sie zu ärgern“, mutmaßte Bergmann.
„Nein … das glaube ich nicht … er hat einen sehr ehrlichen Eindruck gemacht …“
„Ein richtiges Gespräch unter Männern“, witzelte Isabelle, was Schäfer mit einem Schulterzucken kommentierte.
„Bleibt noch die Frage nach Matthias Rudenz …“, meinte Bergmann.
„Was ist mit dem Wagen von der Frau von Leo Laska?“, wollte Schäfer wissen.
„Haben wir noch keine Ergebnisse … sollten aber in den nächsten Tagen kommen …“
„Wie geht’s eigentlich …“
In dem Moment ging die Tür auf und Oberst Kamp trat ein. Er hielt einen pathetisch großen Strauß weiße Callas in der Hand, den er auf dem Beistelltisch ablegte, bevor er sich über Schäfer beugte und ihn an sich drückte.
„Verdammt, Major“, tönte er, „einen Monat früher und wir hätten uns ein Zimmer teilen können.“
„Dann hätte es bestimmt hier einen Mord gegeben“, meinte Schäfer lächelnd.
„Na na, jetzt übertreiben Sie nicht … wir kommen doch ganz gut miteinander aus …“
„So habe ich das auch
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