Ohnmachtspiele
und warum? Also noch einmal ganz an den Anfang zurück, zum Alberner Hafen … kwigg, kwigg, kwigg … als die Umdrehungen in seinem Gehirn in den roten Bereich führten, schüttelte Schäfer den Kopf wie ein Hund, der gerade aus dem Wasser gestiegen ist, ging ins Wohnzimmer, ließ sich auf die Couch sinken und drehte den Fernseher auf. Zapp, zapp, zapp … Stirb langsam, Teil eins … manchmal war es besser, seinen Geist werken zu lassen, ohne ihn dabei zu beobachten.
40
Am folgenden Vormittag blieb er nur eine gute Stunde im Kommissariat. Er besprach mit Bergmann, was alles in den Ermittlungsbericht gehörte, telefonierte mit einer Bekannten bei den Wiener Linien und bat sie um eine Auskunft, trank zwei Milchkaffee und hielt seinen Assistenten von der Arbeit ab, indem er ihn in eine Diskussion über die Füße von Bruce Willis in „Stirb langsam“ zu ziehen versuchte. Ein barfüßiger Lauf über Glasscherben, die Splitter – quasi Dornen – unter größten Schmerzen selbst zu entfernen, die Blutspuren, die dem Feind seine Spur verrieten … Bergmann musste doch zugeben, dass die philosophische und theologische Dimension dieses Handlungsstrangs über die bloße Erzählung hinausführte. Ja ja, kann schon sein, erwiderte Bergmann seufzend, worauf Schäfer seinen Mantel packte und das Büro mit dem nebulösen Hinweis verließ, dass er noch wo hinmüsse. Den Hinweis Bergmanns, dass er eine Reinigung aufsuchen sollte, überhörte er.
Er schlenderte in den ersten Bezirk, zündete aus einer Laune heraus im Stephansdom eine Kerze an und ging dann ins Fabios – das Lokal, in dem er mit Isabelle vor einigen Wochen den ersten gemeinsamen Abend verbracht hatte. Kaum hatte er das Restaurant betreten, kam der Oberkellner schnellen Schritts auf ihn zu und machte mit den Händen eine Geste, als wollte er Hühner verscheuchen. Was hat denn dieser Arsch für ein Problem, dachte Schäfer.
„Und Abgang“, schnauzte ihn der Mann an, „lass dir ja nicht einfallen, meine Gäste hier anzubetteln, du Penner …“
Als er Schäfer am Arm packen wollte, machte dieser eine halbe Drehung, drehte dem Kellner den Arm auf den Rücken, griff ihm mit der linken Hand in den Nacken und drückte ihn gegen die Garderobe.
„Ganz schlechte Ansage, du verwichster Pinguin.“ Er griff in seine Manteltasche, zog seinen Ausweis heraus und hielt ihn dem Mann vor die Nase. „Greif mich noch einmal an und ich hau dir auf den Schädel, dass du durch deine Rippen glotzt wie ein Affe aus dem Käfig.“
„Bitte … bitte“, stammelte der Mann, zu dem sich nun zwei weitere Kellner gesellt hatten, „tut mir leid … ich habe … wegen ihrem Mantel und …“
Schäfer ließ den Mann los und überlegte kurz, ob sein zugegebenermaßen unschickliches Outfit diesen Mann dazu berechtigte, ihn aus dem Lokal zu werfen. Nein.
„Ab in die Küche“, befahl er dem Mann, „und ihr Wiesel kümmert euch um eure Gäste … Melissentee für alle, damit hier niemand einen Herzinfarkt bekommt.“
Auf dem Weg in die Küche grinste Schäfer die konsternierten Gäste an und empfahl ihnen, sich wieder ihrem Essen zu widmen, bevor das Fleisch noch kälter würde als ihr eigenes. Haha, großartig fühlte er sich, wann hatte man schon Gelegenheit, einem Widerstand gegen die Staatsgewalt auf diese Weise beizukommen.
„Ich benötige Ihre Unterstützung“, teilte er dem Oberkellner mit, nachdem er ihn auf einen Plastikstuhl neben dem Kühlraum gedrückt hatte. „Ein paar Auskünfte über einen hochrangigen Politiker, der hier des Öfteren verkehrt“, fuhr er fort und machte sich auf einen Rundgang durch die Küche, um die Deckel zu heben und da und dort einen Happen zu sich zu nehmen.
Als er wieder auf die Straße trat, fühlte er sich wie an einem der ersten Frühlingstage. Kindisch aufgekratzt, hormonell hochtourig, tierisch unvernünftig … Fetzenschädel, denen hatte er es gegeben. Gut möglich, dass demnächst eine Beschwerde auf ihn zukäme – aber mit den Informationen, die er eben erhalten hatte, wäre es ein Leichtes, diese wie einen Krümel original toskanischen Ciabattas vom Tisch zu fegen.
Am Graben setzte er sich auf eine Bank neben zwei amerikanische Touristen, zündete sich eine Zigarette an und rauchte mit Genuss. Als sein Telefon läutete, standen die beiden Touristen auf und entfernten sich leise meckernd.
„Du holde Fee des städtischen Verkehrsnetzes“, begrüßte er seine Bekannte von den Wiener Linien, „was hast du für mich … Sehr
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