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Ohnmachtspiele

Ohnmachtspiele

Titel: Ohnmachtspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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konnten. Vor etwa vier Monaten hatte sich der Rettungsbus nicht mehr starten lassen. Als der Arzt den Pannendienst rufen wollte, hatte ihm der Schweizer seine Hilfe angeboten und den Wagen tatsächlich wieder in Gang bekommen. Also hätte er möglicherweise einmal als Mechaniker gearbeitet. Schäfer bedankte sich und legte auf. Der hat tatsächlich nachgefragt, dachte er, als er die Betonstiegen des Siebzigerjahre-Baus hinaufging, dem liegt wirklich was an den Fixern; doch der war bestimmt zehn Jahre jünger als er. Ich halte dir die Daumen, lass dich nicht unterkriegen.
    Der Techniker, der das Schloss untersucht hatte, war gerade dabei, ein paar Metallpartikel in einem futuristischen Apparat zu verglühen. Schäfer setzte sich auf einen Stuhl und schaute gespannt zu, bis das Experiment beendet war.
    „Also, wenn ich mich hier so umschaue, bemerkt ihr von den Einsparungen nicht sehr viel“, meinte er, während ihn der Techniker in einen Nebenraum führte, der wie das Ersatzteillager einer Autowerkstatt aussah.
    „Das kann auch nur einer sagen, für den viel Metall und ein paar blinkende Lichter automatisch die neueste Technik sind“, entgegnete der Mann und holte das Schloss aus einem Stahlschrank.
    „Und?“, wollte Schäfer wissen.
    „Am Schlüssel und im Schloss sind minimale Kratzspuren. Das könnte von einem Draht stammen, den jemand von außen hineingesteckt und so die Tür verriegelt hat.“
    „Und was heißt ‚könnte‘?“
    „Dass es genauso gut ein Handwerker gewesen sein kann oder schon bei der Produktion passiert ist.“
    „Schwaches Indiz … habt ihr sonst was?“
    „Fingerabdrücke sind vom Opfer und vom Ehemann – und natürlich von deinen Kollegen, die fleißig herumgetappt haben. Manchmal denke ich mir, das machen sie absichtlich.“
    „Sicher, Weisung von mir.“ Schäfer klopfte dem Techniker auf den Oberarm und verabschiedete sich.
    Minimale Kratzspuren … und der Draht, mit dem der Ehemann das Schloss von außen verriegelt hatte, wartete bestimmt in einer Schublade darauf, dass Schäfer ihn bei einer Hausdurchsuchung fand. Außerdem: Matthias Rudenz – der roch zwar nach einem Verdächtigen, aber nicht nach einem Mörder, da mussten sie ihre Nase noch in andere Winkel stecken. Hoffentlich brachte die Auswertung der Telefongespräche etwas; und die junge Kovacs, der traute Schäfer durchaus zu, aus dem Schotter, den sie zu durchsieben hatte, das eine oder andere Goldklümpchen zu holen. Sie gefiel ihm, die junge Revierinspektorin, sie hatte etwas Amazonenhaftes, das die dumpfen Draufgänger unter ihren männlichen Kollegen nach der ersten logischen Abfuhr ziemlich sicher veranlasste, sie als Lesbe zu bezeichnen. Sie würde sich schon durchsetzen, hoffentlich.
    Bruckner rief an. Einer der beiden Serben hatte gestanden. Zurzeit verhandelten sie mit ihm ein Zeugenschutzprogramm, um mehr über die Auftraggeber herauszubekommen. Schäfer gratulierte Bruckner und lud ihn für einen der nächsten Abende auf ein Bier ein. Als er zurück zum Kommissariat ging, fiel ihm ein, dass er an diesem Tag seinen Therapietermin hatte. Er sah auf die Uhr. In fünf Minuten sollte er im achtzehnten Bezirk sein. Er überlegte, den Termin abzusagen. Doch dann winkte er ein Taxi heran, stieg ein und gab dem Fahrer die Adresse des Therapeuten.

9
    Wie er sich denn zurzeit fühle: eher wie eine Figur auf der Bühne, als Regisseur, als Drehbuchschreiber … oder von allem ein bisschen? Schäfer brauchte ein paar Minuten, um die Frage auf seine Situation zu beziehen. Wie fühlte er sich denn? Dann kam ihm die Phrase in den Sinn, die er zurzeit in der Arbeit wohl am häufigsten zu hören bekam: Bin ich denn der Trottel vom Dienst? Da war sie, die Antwort.
    „Gibt es auch Situationen, wo Sie aus dieser Rolle heraustreten? Wo Sie selbstbestimmt agieren?“
    Ihm wollte nichts einfallen. Stand es denn wirklich so schlimm um sie alle? Denk nach.
    „Vielleicht, wenn ich mir was zu essen mache …“
    „Kochen Sie gern?“
    „Momentan … nicht wirklich … ich esse, um nicht zu verhungern …“
    „Das ist doch kein Leben …“, rutschte es dem Therapeuten heraus.
    „Wem sagen Sie das …“
    „Das ist kein Vorwurf an Sie, verstehen Sie mich recht … aber so, wie Sie es schildern, wundert mich Ihr Zustand nicht. Ich meine, man ist so gut wie immer irgendwelchen Zwängen ausgesetzt, fühlt sich beizeiten ohnmächtig … doch damit es Ihnen schrittweise besser geht, sollten wir daran arbeiten, Ihnen Ihre

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