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Ohnmachtspiele

Ohnmachtspiele

Titel: Ohnmachtspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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Selbstbestimmtheit zu einem gewissen Grad zurückzuerobern …“
    „Also doch in den Kindergarten“, erwiderte Schäfer schmunzelnd.
    „Das ist eine Option … nur glaube ich, dass es in Ihrer momentanen Situation ein zu großer Umbruch wäre … vorerst finde ich es wichtig, dass Sie sich innerhalb des jetzigen Umfelds Ihre Souveränität zurückerobern … dass Sie sich Strukturen schaffen, in denen sie sich wohlfühlen …“
    „Sie wollen, dass ich den Innenminister erschieße?“, witzelte Schäfer.
    „Sie weichen aus. Ich meine, dass Sie sich kleine Ziele setzen, um Ordnung in Ihr Leben zu bekommen … fixe Anhaltspunkte, an denen Sie sich aufbauen können …“
    „Als da wären …?“
    „Ich weiß nicht, was Sie gern tun … suchen Sie sich einen Schachpartner für einen fixen Abend in der Woche, oder machen Sie einen Yogakurs … ich glaube, dass Sie sich zurzeit wie vor einem unbezwingbaren Berg sehen, den Sie dennoch besteigen wollen. Aber Sie rennen sich fest, Sie laufen sich tot … und das meine ich jetzt nicht einmal metaphorisch.“
    „Und wo ist der Ausweg?“, fragte Schäfer gereizt, da ihn die klugen Sprüche des Therapeuten zu nerven begannen.
    „Es gefällt mir, dass Sie wütend werden“, sagte der Therapeut lächelnd, „das heißt doch, dass Sie sich zumindest von mir nicht alles sagen lassen.“
    „Verstehe …“, erwiderte Schäfer und versuchte zu verstehen.
    „Man kann auch in der Ebene gehen und ans Ziel kommen“, sagte der Therapeut nach ein paar schweigsamen Minuten. „Man muss nicht immer nach oben stürmen und sich dabei völlig verausgaben, verstehen Sie?“
    „Das sagen Sie jemandem, der in Tirol aufgewachsen ist.“
    Als Schäfer kurz vor zwei Uhr auf die Straße trat, war er so aufgewühlt, dass er trotz seiner ungeeigneten Kleidung zu laufen begann und erst anhielt, als er sich am Donaukanal auf Höhe des Heizkraftwerks befand. Er ließ sich auf eine Bank fallen und bemühte sich, seine Atmung unter Kontrolle zu bringen. Das war eine Wurzelbehandlung gewesen. So sehr ihn der Therapeut beizeiten nervte, diesmal hatte er einen Nerv freigelegt. Wer war er denn? Seit fast zwanzig Jahren im Dienst. Machte Pi mal Daumen … auf jeden Fall an die tausend Tote, mit denen er zu tun gehabt hatte. Vielleicht auch nur fünfhundert, was änderte das schon, er war einer der besten Ermittler der Mordkommission, er hatte den Richtern Verbrecher angeliefert wie ein Labrador das Stöckchen. Und jetzt wurde er herumbugsiert wie …
    „Verpisst euch, ihr verwichsten Arschgesichter“, brüllte er drei Jugendliche an, die vor ihm stehen geblieben waren – wohl um ihn aus Langeweile zu provozieren.
    „Schon gut, Alter“, meinte einer von ihnen erschrocken, „wir wollten nur schauen, ob alles in Ordnung ist mit dir.“
    „Bestimmt“, erwiderte Schäfer, stand auf und machte sich im Laufschritt auf den Weg zurück ins Kommissariat. Die ängstlichen bis besorgten Blicke einiger Passanten nahm er nicht wahr.
    „Sie haben nicht zufällig ein frisches Hemd da?“, wollte er von Bergmann wissen, nachdem er seinen Mantel aufgehängt hatte.
    „Doch“, sagte Bergmann, drehte sich im Sitzen um, griff in die unterste Ablage des Kastens und nahm ein weißes Hemd heraus. „Ist alles in Ordnung?“
    „Ich habe die Schnauze voll“, grunzte Schäfer und zog sich sein Hemd über den Kopf, „ich habe keine Lust mehr, mir das alles noch länger gefallen zu lassen.“
    „Ähm … wovon genau reden Sie jetzt?“
    „Davon, dass die uns herumkommandieren, als ob wir Lehrlinge wären und keine Ahnung von unserer Arbeit hätten … was hat denn der Mugabe als Polizist geleistet? Revierinspektor! Weiter hat es der in seinem Kuhdorf nicht gebracht … und jetzt will er uns erzählen, wie wir unseren Job machen sollen … schrauben Sie einem Linienbus ein bulgarisches Nummernschild an und der Mugabe hält ihn auf, weil er glaubt, es ist ein Schleppertransport … Schweinebande …“
    „Übrigens: Die Laskas haben einen Zweitschlüssel für die Villa ihrer Tochter bei sich zu Hause“, warf Bergmann ein.
    „Und wo bewahren sie ihn auf?“
    „In der Kommode im Vorraum.“
    „Schön … ich will eine Liste der regelmäßigen Besucher … was ist mit dem Telefon?“, fragte Schäfer, knöpfte sich Bergmanns Hemd zu und stülpte die Manschetten zurück, damit sie ihm nicht über die Hände hingen.
    „Was haben Sie denn für eine Größe?“
    „Dreiundvierzig“, antwortete Bergmann.
    „Hm.“

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