Ohnmachtspiele
eine Woche mit Schopenhauer zurück: ‚Die Welt als Wille und Vorstellung‘ … Schäfer! … Ich reiße mich nicht unbedingt um die scheußliche goldene Uhr, die man mir in ein paar Jahren zur Pensionierung aufdrängen wird. Aber sie ist mir immer noch lieber als der Vierfach-Bypass, den Sie mir mitgeben wollen …“
Schäfer konnte ihm nicht mehr ganz folgen, also beschränkte er sich darauf, die Schultern einzuziehen und seine Fingernägel zu begutachten.
„Und als ob Sie’s in der Arbeit, wenn man das überhaupt noch so nennen kann, nicht bunt genug trieben, füllen Sie einen koreanischen Diplomaten in einem Stripclub ab und legen auch noch Ihre Dienstwaffe auf den Tresen!“
Schäfer schluckte … das hatte er vergessen … Diplomat? Koreaner? Er war der Meinung gewesen, er hätte mit einem japanischen Fischhändler gezecht. Und woher wusste Kamp darüber Bescheid? War wohl irgendein Kollege undercover unterwegs gewesen.
„Und dann noch die Sache mit dem Hund … eine Fußfessel, ja, das wäre es“, sinnierte Kamp, der nun mit dem Rücken zum Raum am Fenster stand, „ich wüsste nicht, wie ich Sie sonst in den Griff bekommen soll.“
„Herr Oberst … ich verspreche Ihnen …“
„Sie versprechen mir gar nichts“, unterbrach ihn Kamp, „ab jetzt gehorchen Sie einfach. Ab jetzt gelten für Sie die gleichen Spielregeln wie für alle anderen auch. Noch so ein Vorfall und ich schmeiße Sie hinaus. Und ich rede nicht von einer Suspendierung, Major. Ich trete Sie persönlich die Stiege hinunter und auf die Straße hinaus!“
Schäfer erhob sich aus seinem Fauteuil, da er das Gespräch für beendet hielt. Nachdem Kamp nichts Gegenteiliges verlauten ließ, salutierte er und ging. Auf dem Weg in sein Büro kämpfte er mit widersprüchlichen Gefühlen: Auf der einen Seite erwartete er sich Verständnis und war zornig über die abweisende Haltung, die ihm entgegenschlug. Andererseits hatte Kamp ihn an einem Punkt erwischt, der ein schmerzendes Schuldgefühl erzeugte: die Sache mit den väterlichen Gefühlen und dass er den Oberst verraten hätte – diesbezüglich war Schäfer übersensibel, das berührte ihn stärker, als eine Suspendierung es getan hätte.
Er setzte sich vor seinen Computer und starrte in den Raum.
„Bergmann“, meinte er schließlich seufzend, „nehmen Sie endlich den Zettel von der Stirn, auf dem ‚Ich habe es Ihnen ja gesagt‘ steht.“
„Ich habe es Ihnen wirklich gesagt“, erwiderte Bergmann vorsichtig.
„Meinetwegen … aber wenn Sie dabei gewesen wären … dann … dann hätten Sie mich vielleicht davon abgehalten.“
Bergmann ließ seine Tastatur für einen Moment in Ruhe.
„Tut mir leid“, antwortete er ernst, „mit dieser Verantwortung bin ich ehrlich gesagt überfordert … bei allem Respekt für Ihr kriminalistisches Gespür … aber bei dieser Theorie … “
„Schon gut“, winkte Schäfer ab, „kann man ohnehin nicht mehr ändern.“
Zu Mittag ging er in ein kleines Wirtshaus um die Ecke. Obwohl ihm nach Gesellschaft war, hatte er sich nicht getraut, Bergmann oder einen anderen Kollegen zu fragen. Richtig zur Schnecke gemacht, sagte er sich, als er das Lokal betrat. Im nächsten Augenblick entdeckte er Bruckner, der ebenfalls allein hier war. Als dieser ihn sah, winkte er ihn gleich zu sich.
„Alles klar bei dir?“, wollte Bruckner wissen, nachdem sich Schäfer auf den unbequemen Holzsessel gesetzt und die Ellbogen auf der Tischplatte platziert hatte.
„Mehr oder weniger“, erwiderte Schäfer und nahm die Speisekarte.
„Willst du darüber reden?“, fragte Bruckner geradeheraus und Schäfer schaute ihn verwundert an, weil so eine Frage überhaupt nicht zu diesem sonst eher wortkargen Bären passte. Vielleicht hatte er ja ein NLP-Seminar oder was in der Art absolviert, dachte Schäfer und gestand sich gleich darauf ein, dass er tatsächlich jemanden zum Reden brauchte. Anfangs zusammenhanglos erzählte er seinem Kollegen von der Sache mit dem Hund, sprang über zu den Ermittlungen im Fall des Schweizers und kam schlussendlich auf seine Spielkartentheorie zu sprechen. Und machte, ohne es gewollt zu haben, gleichzeitig seinem Ärger über den illoyalen Bergmann Luft.
Bruckner legte sein Besteck auf den Teller, wischte sich den Mund ab und nahm einen kräftigen Schluck Apfelsaft.
„Weißt du“, sagt er schließlich, „irgendwo bist du ein Zigeuner …“
„Wieso das denn?“, entgegnete Schäfer leicht entrüstet.
„Na ja … ein wenig
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