Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ohnmachtspiele

Ohnmachtspiele

Titel: Ohnmachtspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
Vom Netzwerk:
angerufen, irgendwas mit einem alten Fall, über den sie beim letzten Mal gesprochen hätten.
    „Warum ruft er mich nicht am Handy an?“
    „Keine Ahnung … möglicherweise hat er die Nummer verloren … und die von hier weiß er bestimmt auswendig.“
    „Das hat sich ohnehin erledigt … er hat den Fall aus Köln gemeint, von dem Sie die Akte besorgt haben. Und wenn ich ihn jetzt anrufe, dann stiehlt er mir in seiner Langeweile den Rest vom Vormittag.“
    „Glaube ich nicht … nachdem er mich schon eine Stunde am Telefon gehalten hat.“
    „Hoffentlich werde ich nicht so, wenn ich alt bin“, seufzte Schäfer.
    „Ich darf Sie höflich daran erinnern, dass Sie mich neulich am Abend angerufen haben, um über Scheinwerfertechnik zu diskutieren.“
    „Scheibenwischer“, korrigierte ihn Schäfer, „nicht Scheinwerfer … da sieht man wieder, wie genau Sie mir zuhören.“
    Um halb eins verließ Schäfer das Kommissariat, um sich mit Harald Ziermann zu treffen, der seine Tochter um eins von der Schule abholen würde. Da er dem Freitagmittagsverkehr entgehen wollte, nahm er die U-Bahn und anschließend die Straßenbahn. Ziermann saß in seinem Auto vor dem Tor, das den Schulhof von der Straße abgrenzte. Er erschrak, als Schäfer an die Seitenscheibe klopfte und die Beifahrertür öffnete.
    „Entschuldigung … ich wollte Sie nicht erschrecken.“
    „Ist nicht Ihre Schuld … sobald ich nichts zu tun habe, versinke ich in Gedanken …“
    „Das kann ich verstehen …“
    „Was wollten Sie mir denn sagen?“
    „Etwas, das ich Ihnen aus dienstlicher Sicht gar nicht sagen darf … aber ich würde es mir nie verzeihen, wenn …“
    „Wenn was?“ Ziermann sah ihn verstört an.
    Also klärte ihn Schäfer in groben Zügen über seine Vermutungen auf und schloss damit, dass sich Ziermann unter Umständen in Lebensgefahr befand. Was diesen jedoch nicht sonderlich zu bewegen schien.
    „Schon komisch“, meinte er nur, „das mit dem Königspaar … das hat unserer Liebe einen ganz eigenen Charakter gegeben … auch wenn es am Anfang nur ein Scherz von Freunden war …“
    „Das war offiziell so?“
    „Na ja … offiziell ist wohl übertrieben … ich glaube, dass es bei unserer Hochzeitsfeier zum ersten Mal wer aufgebracht hat … und Sonja und ich … wir haben uns dann immer wieder ‚Eure Majestät‘ oder ‚Meine Königin‘ genannt …“
    Sie hörten das Geschrei der Kinder, die aus der Schule auf den Hof liefen. Ziermann stieg aus, ging ums Auto herum und empfing seine Tochter mit einer Umarmung.
    Er ließ sie hinten einsteigen und setzte sich wieder auf den Fahrersitz. Schäfer begrüßte das Mädchen und verlor in ihrer Anwesenheit sofort den Mut, weitere detaillierte Fragen über ihre Mutter zu stellen.
    „Könnten Sie mir eine Liste der Leute zusammenstellen, die von dieser Königsgeschichte wissen?“, wandte er sich an Ziermann.
    „Natürlich. Kann aber bis Montag dauern.“
    „Kein Problem … sind Sie übers Wochenende weg?“
    „Ja … wir fahren zu meinen Eltern ins Waldviertel …“
    „Weiß jemand davon?“, fragte Schäfer leise.
    „Außer meinen Eltern und zwei von meinen Kollegen … nein, sonst fällt mir niemand ein.“
    „Seien Sie bitte vorsichtig … und rufen Sie mich sofort an, wenn Ihnen irgendetwas ungewöhnlich vorkommt.“
    „Werde ich machen.“
    Schäfer verabschiedete sich, stieg aus und sah dem Auto nach. Ich kriege dich, murmelte er und ging zur Haltestelle.
    An den beschlagenen Innenscheiben des Straßenbahnwaggons rannen die Tropfen herab, zu denen der Atem und der Dampf der nassen Mäntel der Fahrgäste kondensiert waren. Schäfer wischte mit dem Ärmel ein Sichtfenster frei und sah auf die schneevermatschte Straße hinaus. Ein Kleinkind verweigerte seiner Mutter die Hand und stampfte trotzig mit dem Fuß auf. Eine Krähe tauchte mit dem Schnabel ein Stück Brot in eine schmutzige Lache, um es aufzuweichen. Autos im Stau, das Wochenende. Ab Montag würde die Sicherheitsdirektion von den apokalyptischen Reitern des Boulevards gestürmt werden, die Schäfer gerufen hatte – darauf müsste er so gut wie möglich vorbereitet sein. Allein würde er nicht weiterkommen, da brauchte er sich nichts vorzumachen. Nicht nur, dass er mit den Recherchen überfordert wäre, er brauchte auch andere Blickwinkel und Arbeitsweisen, um die paar Mosaiksteine, die in seinen Taschen klimperten, zu ergänzen und an die richtigen Stellen zu setzen. Er brauchte nicht nur eine

Weitere Kostenlose Bücher