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Ohnmachtspiele

Ohnmachtspiele

Titel: Ohnmachtspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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wickelte. „Aber sag erst mal nichts von mir und meinem Beruf.“
    „Ich bin ja nicht blöd.“ Sie verdrehte die Augen und nahm ihr Telefon heraus.
    Fasziniert nahm Schäfer an dem Gespräch teil, das sie mit dem Jungen führte. Zwar versuchte sie immer wieder sich von ihrem Onkel zu entfernen und ihn mit einer Handbewegung wegzuscheuchen, doch ihrem grinsenden Gesicht glaubte er zu entnehmen, dass sie sein Interesse in Wirklichkeit genoss. Unglaublich. Er erinnerte sich, wie sie als Säugling in seinem Arm gelegen war; wie er seine Anzüge öfter als üblich in die Reinigung tragen musste, weil sie ihm regelmäßig auf die Schulter kotzte; wie glücklich aufgeregt er war, als sie ihm zum ersten Mal mit ausgestreckten Armen entgegenstolperte – und jetzt: Jetzt konnte er fühlen, wie das Herz des Jungen schneller schlug, weil ihm dieses Mädchen ins Telefon lachte; egal, was er eben tat oder wo er war, er würde auf schnellstem Weg an den Ort kommen, den sie ihm vorschlug; was für eine hinreißende junge Frau aus ihr geworden war; gleichzeitig kamen ihm die Ängste in Erinnerung, die er immer wieder ausstand, wenn er an sie dachte: Es gab so viele Perverse … er konnte schließlich nicht immer an ihrer Seite sein.
    „In zwei Stunden im Cobra“, holte sie ihn aus seinen Gedanken.
    „Na bravo … das klingt ganz nach einem Lokal, in dem ich überhaupt nicht auffalle.“
    Er hatte sich getäuscht. Zwar war das „Cobra“ eine schmuddelige Mischung aus irischem Pub und arabischen Haremsgemächern, doch das Publikum entzog sich jeder Kategorisierung: An der Bar tranken Geschäftsleute in grauem Nadelstreif ihr Bier, an den Tischen erholten sich Frauen in Schäfers Alter vom Samstagseinkauf, auf den Sofas saßen Rastafrisuren gemeinsam mit Irokesen bei einer Wasserpfeife. Lisas Bekannter hatte nur mehr einen Stehtisch im hinteren Teil des Lokals gefunden und nippte sichtlich nervös an einem Cola. Junges Männerherz in Flammen, dachte Schäfer, bevor er an den Tisch trat und sich vorstellte.
    Er hatte die Reserviertheit und aufrechte Nackenhaarstellung erwartet, mit der junge Menschen von halbwegs hellem Verstand der Staatsgewalt üblicherweise begegneten – doch Martin ließ sich diesbezüglich zumindest nichts anmerken. Gut, an diesem Ort und zu dieser Zeit war Schäfer der Onkel des Mädchens, nach dem der Junge sich verzehrte, noch niemand zum Um-die-Hand-Anhalten, aber doch eine Bezugsperson, deren Sympathie man sich nicht verscherzen sollte.
    „Lisa hat mir erzählt, dass du und ein Freund einmal so ein Computerspiel in die Wirklichkeit verlagert habt“, sagte Schäfer, dem der Smalltalk über die Atmosphäre des Lokals und die Nach-der-Schule-Pläne selbst für einen guten Onkel an der Grenze zur Peinlichkeit erschien.
    „Es war nicht meine Idee“, antwortete Martin und wandte verlegen den Blick ab.
    „Ich bin nicht da, um dich deswegen zu verurteilen … dass meine Nichte dich mag, ist für mich Beweis genug, dass du so weit in Ordnung bist … Scheiße bauen gehört dazu, wenn man jung ist … wenn man es einsieht und bereut, schult das den Charakter …“
    „Lesung aus dem Buch Johannes“, brachte Lisa mit theatralischer Stimme ein und verdrehte scherzhaft die Augen.
    „Junge Frau …“, erwiderte Schäfer, „das Mädchen da drüben, das du zuerst begrüßt hast … ihr habt doch sicher lang nicht mehr miteinander geplaudert … über Shopping und Make-up und so Sachen …“
    „Du verkappter Reaktionär“, sagte Lisa und drehte ihren Kopf in Richtung des Nachbartisches, „na gut, ich lasse euch mit euren Bubenthemen allein … darf ich eine Zigarette haben?“
    „Du spinnst wohl!“ Schäfer legte seine Hand auf die Zigarettenschachtel.
    „Sehr super … da kann ich gleich mit Papa ausgehen!“
    „Die wickelt Sie ganz schön um den Finger, wie?“, meinte Martin, nachdem Lisa den Tisch gewechselt hatte.
    „Kann man wohl sagen“, gab Schäfer mit einem Seufzer zu, obwohl er wusste, dass das vorlaute Getue seiner Nichte nur ein Schauspiel war, mit dem sie ihren Bekannten beeindrucken wollte.
    „Also … wie ist das genau abgelaufen … das mit dem Spiel?“
    Schäfer hörte dem Jungen aufmerksam zu und versuchte sich ein Bild davon zu machen, was in den beiden vorgegangen sein musste, als sie sich entschlossen hatten, das Computerspiel, das sie fast jeden Abend spielten, nach eigener Adaption in die Wirklichkeit zu übertragen. Ladendiebstähle, Prügeleien, Mercedessterne-Sammeln,

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