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Ohnmachtspiele

Ohnmachtspiele

Titel: Ohnmachtspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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Paradebeispiel für Verstaubtheit und Muffigkeit in Erinnerung: altersschwache Saurierskelette, an die man sich nicht nahe heranzugehen traute, aus Angst, die meterhohen Ungetüme könnten über einem zusammenbrechen; ausgestopfte Marder, Luchse und anderes Getier, an dem der Zahn der Zeit und die Motten um die Wette nagten. Das Einzige, was ihn und seine männlichen Klassenkollegen dort interessiert hatte, war die Schlangenfütterung gewesen. Und natürlich die Missgeburten: Kälber mit zwei Köpfen, in Formaldehyd gelegte Babys mit monströsen Wasserköpfen, ein Pandämonium schauderhafter Natureinfälle, das noch zwei Wochen danach in seinen Albträumen aufgetaucht war. Doch mittlerweile hatte die Stadt das Haus renoviert und zu einer interaktiven Erlebnis- und Bildungseinrichtung gemacht – zumindest behauptete das der Folder, den Schäfer an der Kassa mit den Eintrittskarten bekam. Zum Glück teilte seine Nichte seine Interessen, sodass ihm die Evolutionsgeschichte und der ganze Planetenkram samt virtueller Mondlandung und Urzeitsimulator erspart blieben. Sie gingen auf direktem Weg zum Riesenaquarium, wo Schäfer beim Anblick des Tigerhais umgehend eine Gänsehaut bekam. Sie setzen sich auf eine Besucherbank und verfolgten schweigsam die Bewegungen der Fische – wie Schäfer als Kind, und auch in letzter Zeit immer wieder, die Kleidungsstücke in einer Waschmaschine beobachtet hatte.
    „Hast du gerade einen spannenden Fall?“, wollte seine Nichte nach einigen Minuten wissen.
    „Hm … eigentlich nicht.“
    „Das heißt entweder nein oder geheim …“
    „Kluges Mädchen … wenn du schweigen kannst, erzähle ich dir ein bisschen was davon.“
    „Wenn ich jemals was weitersage“, sagte sie und hob theatralisch die Hand zum Schwur, „darfst du mich dem Tigerhai zum Fraß vorwerfen.“
    „Ich lasse dich lieber ausstopfen“, meinte Schäfer lächelnd und legte einen Arm um sie, „dann haben die Besucher auch was davon.“
    „Also, sag schon …“
    „Nehmen wir einmal an, jemand sucht sich ein Spiel aus und nimmt für jede Figur einen realen Menschen. Und wenn die Figur geschlagen wird …“
    „Dann muss sie sterben!“, unterbrach ihn seine Nichte.
    „Bringt man euch das heutzutage in der Schule bei?“
    „Nein … vielleicht habe ich nur deinen Instinkt geerbt.“
    „Gott behüte … denk daran: Es ist eine Gabe und ein Fluch zugleich“, sagte er theatralisch und warf seinen Schal nach hinten.
    „Also, was ist jetzt mit dem Spiel?“
    „Stell dir vor, du bist Polizistin und hast ein paar Mordopfer. Einmal fehlt jedes Motiv, beim anderen soll es aussehen wie ein Selbstmord, dann wie ein Unfall. Und plötzlich findest du einen Zusammenhang, der alles logisch erscheinen lässt …“
    „Das Spiel …“
    „Genau, das Spiel. Und damit wird es schwierig. Weil wir herausfinden müssen, wer wirklich ein Opfer ist, wer eins werden könnte, wie die zusammenhängen …“
    „Coooool!“
    „Nicht so wirklich, wenn du die kennenlernst, die dadurch einen Menschen verlieren.“
    „Entschuldigung … war nicht so gemeint.“
    „Schauen wir uns noch was anderes an“, schlug Schäfer vor, nachdem es ihr offensichtlich die Sprache verschlagen hatte.
    „In der Schule waren auch einmal zwei so Freaks“, sagte Lisa, als sie durch den Reptilienzoo spazierten, „die wollten ein Computerspiel in echt nachspielen.“
    „Und?“
    „Der eine ist vorher zum Direktor. Weil sein Freund wirklich einen aus der Klasse entführen wollte … voll bescheuerter Typ … vielleicht wollte der den sogar umbringen …“
    „Kennst du die beiden?“ Schäfer blieb stehen und sah sie an.
    „Nicht wirklich.“ Sie wandte sich ab und legte ihre Hand auf die Scheibe eines Terrariums, in dem eine Python döste.
    „Du könntest vielleicht eine gute Polizistin werden“, sagte Schäfer und legte seinen Arm um sie, „aber beim Lügen bist du ganz schlecht. Also?“
    „Na gut“, tat sie genervt, „mit Martin bin ich ein paarmal ausgegangen … der ist gar nicht so ein Arsch, wie alle meinen …“
    „Das habe ich nie behauptet … hast du seine Nummer?“
    „Wozu willst du seine Nummer?“, fragte Lisa nervös, „ich habe dir doch gesagt, dass er ganz okay ist …“
    „Keine Sorge, Mädchen … aber vielleicht kann er uns helfen … also mir …“
    „Versteh ich nicht.“
    „Ruf ihn an und frag ihn, ob er sich mit uns treffen kann.“ Schäfer blieb vor der grünen Mamba stehen, die sich um einen rindenlosen Ast

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