Ohnmachtspiele
Mann, während er unbeholfen versuchte, die glühende Asche, die gerade ein Loch in die Decke brannte, wegzuwischen.
„Was war mit dem Willi?“
„Mit dem war sie gut, die Manu … war ein Guter, der Willi …“
„Der Willi ist am Exelberg oben gefunden worden.“ Schäfer kam sich aufgrund seiner langsamen und überdeutlichen Sprechweise selbst wie unter Drogen vor.
„Ja.“
„Weißt du, wer ihn da hingebracht hat … oder hat es die Manu gewusst?“
„Die Manu hat das sicher gewusst … ich weiß nur, wo er gepfuscht hat …“
„Wo!?“, platzte Bergmann heraus, worauf ihm Schäfer einen bösen Blick zuwarf. Hatte ihm das Christkind ein zu großes Paket Selbstbewusstsein gebracht oder was war los mit seinem Assistenten?
„Bei einem Mechaniker hat er gearbeitet, stimmt’s?“, bemühte er sich, dem eingeschüchterten Mann wieder in die Spur zu helfen.
„Ja, sicher.“
„Weißt du, wo?“, fragte Schäfer möglichst nebensächlich, obwohl seine eigene Anspannung ihn nicht mehr ruhig auf dem Stuhl sitzen ließ. Einen Namen, er wollte einen Namen.
„In Hernals … oder drüben, in Ottakring … da außen halt …“
„Vielleicht sogar im Vierzehnten?“, versuchte Schäfer das Gebiet einzugrenzen.
„Nein … da gehen wir nicht hin.“
„Fällt dir vielleicht ein Name ein?“ Schäfer griff zur Kaffeekanne und füllte ihre Tassen auf.
„Nein“, meinte der Mann nach einer Pause.
„Und wieso soll der den Willi umgebracht haben?“
Darauf wusste er ebenfalls keine Antwort. Eine halbe Stunde später gab Schäfer Bergmann auf, ein Taxi zu rufen, das den Mann in eine Notschlafstelle bringen sollte. Er drückte ihm zwanzig Euro in die Hand, wohl wissend, dass er das Geld sofort zu seinem Dealer bringen würde. Manche Menschen starben eben länger, als sie leben, erinnerte sich Schäfer an den Schmetterling oben am Berg, und eine tiefe Schwermut packte seine Brust mit einem Griff, der ihm den Atem nahm. Er ging zum Kühlschrank, nahm eine Flache Bier heraus und trank die Hälfte in einem Zug.
Da die in Frage kommenden Werkstätten über die Feiertage ohnehin geschlossen waren, sagte er sich, dass es Zeitverschwendung wäre, seine Kollegen hereinzuholen. Das Branchenverzeichnis konnte er selbst durchgehen, die Adressen notieren, auf die Schnelle die Eigentümer überprüfen. Er trank die Flasche leer, nahm sich eine zweite und ging ins Büro.
„Gehen Sie heim“, wandte er sich an Bergmann, der auf die Tastatur einklopfte.
„Ich stelle noch schnell eine Liste mit den Werkstätten zusammen, damit wir morgen keine Zeit damit verlieren.“
Schäfer öffnete die Bierflasche mit seinem Feuerzeug und nahm einen tiefen Schluck. Wenn wenigstens Isabelle in Wien wäre. Anrufen? Ich vermisse dich, kannst du nicht herkommen, in vier Stunden kannst du es schaffen … wer war er denn, ein Teenager? Er fuhr den Computer hoch, öffnete den Webbrowser und sah das Fernsehprogramm durch, das an den Weihnachtsfeiertagen meist reichlich Filme nach seinem Geschmack brachte. „Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“, „Mörder ahoi!“, „Leoparden küsst man nicht“ – wenigstens im Fernsehen war die Welt noch in Ordnung.
31
Auf dem Weg ins Kommissariat kaufte er ein paar Croissants, Apfeltaschen und Zimtschnecken. Ob er seinen Kollegen damit die Feiertagsarbeit versüßen oder sie im Gegenteil an die Weihnachtskekse erinnern würde, die zu Hause gemeinsam mit ihren Familien oder Partnern auf sie warteten … egal, sie hatten diesen Beruf gewählt und damit den Umstand, dass Mörder anders tickten als nach dem Acht-bis-fünf-Schema. Am Vorabend hatte ihn Bruckner angerufen und gefragt, ob sie ohne ihn zurechtkämen, da seine Frau und seine Tochter die Grippe hätten und er sich um sie kümmern wolle. Gar keine Frage, hatte Schäfer geantwortet, wenn er irgendetwas brauche, aus der Apotheke oder sonst was, solle er sich melden. Bruckner, wie viele Menschen gab es noch, die so anständig waren wie dieser herzensgute Koloss. Nicht wegen der Sorge um seine Familie, die er vorgab, pflegen zu müssen – Schäfer kannte Bruckners Frau und wusste, dass sie auch noch mit vierzig Grad Fieber einen defekten Heizkessel zu reparieren imstande war. Und wenn es hart auf hart ging, würde Bruckner seine Kollegen nie im Stich lassen. Aus der Geschichte um die kranke Familie hörte Schäfer ganz etwas anderes heraus: Offiziell leite ich die Gruppe, aber es ist dein Fall, das wissen wir beide. Bruckner, der
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