Ohrenzeugen
wieder.
»Heiko«, log Lisa also, »sein Name ist Heiko. Heiko Wüst!«
»Lisa Wüst«, sinnierte Frau Luft und verzog geradezu angewidert den Mund. »Wie passend!«
»Er ist sehr nett«, verteidigte Lisa ihren Angeblich-Freund.
»Sicherlich ist er nicht so nett wie Stefan. Nicht so kultiviert und charmant. Und auch nicht so gebildet«, sagte Frau Luft, während ihre Augen ein träumerisches Glänzen bekamen.
»Ich kann ihn dir ja vorstellen«, bot Lisa an und bereute ihren Vorschlag im nächsten Moment. Ihre Mutter zog die Augenbrauen hoch. »Gut. Und anschließend werde ich dir sagen, warum Stefan besser für dich ist!«
Heikos Handy klingelte. Vielmehr spürte er den Vibrationsalarm durch seine Schnittschutzhose. Er legte die Kettensäge ab und fischte nach seinem Handy.
Lisa. Lisa? Was wollte die denn? Nicht, dass er sich nicht freuen würde. Aber gerechnet hatte er damit nun nicht.
Er drückte auf den grünen Hörer und schluckte, bevor er sich das Handy ans Ohr hielt. Er versuchte ein besonder tiefes und männliches »Ja?«
»Heiko?«
»Ja?«
»Du, ich brauche deine Hilfe. Ich erkläre es dir!«
Acht Stunden später saß Heiko mit den beiden Damen im Da John’s am Schweinemarktplatz. Heiko hatte zuerst nicht glauben können, was Lisa von ihm verlangt hatte.
Nun, da er Frau Luft vor sich sitzen sah, verstand er seine Kollegin allerdings nur zu gut.
Die ältere Frau Luft trug ein lilafarbenes Kostüm mit passendem Hütchen und seidenem Halstuch.
Ihr Haar war ein modischer grauer Bob. Sie hatte sich zuerst prüfend überall umgeblickt. Nun saß sie ihm, mit verschränkten Armen und in die Stuhllehne zurückgelehnt, gegenüber und musterte ihn so misstrauisch, als wäre er ein wildes Tier, das man im Auge behalten musste, wenn man nicht gefressen werden wollte.
»Und hier verkaufen also die Dorfbewohner ihre Schweine? Auf diesem Platz?«, wollte sie schließlich wissen.
Heiko begriff nicht. Ach so. Der Schweinemarktplatz.
Meinte sie das ernst? Sie sah todernst aus.
Er räusperte sich und sagte dann: »Nun, heutzutage natürlich nicht mehr. Früher, ja.«
Lisa bedachte ihre Mutter mit einem missbilligendem Blick. »Crailsheim ist nicht so provinziell, wie du denkst, Mutter! Es ist eine Stadt! Große Kreisstadt sogar!«
Lisa verschwieg, dass Crailsheim seit 1972 zum Kreis Schwäbisch Hall zugehörig gerechnet wurde. Wenigstens hatte man den Crailsheimern ihre Ehre gelassen, indem sich die Stadt weiterhin ›Große Kreisstadt‹ nennen durfte. Denn sonst wäre der Triumph der Haller perfekt gewesen. Seither trugen alle Autos ein unmelodisches ›SHA‹ statt des knackig-kernigen ›CR‹ auf dem Nummernschild.
Einige Bauern hatten noch Traktoren mit ›CR‹-Schild und weigerten sich hartnäckig, es auszutauschen. Sie waren schließlich Crailsheimer und keine Haller.
»Ein schwäbisches Dorf ist euer Crailsheim«, provozierte Frau Luft und beobachtete Heiko.
Lisa fragte sich, ob sie wohl testen wollte, ob Heiko aufspränge und sie umbringen wollte.
Aber der Kommissar blieb ruhig und protestierte nur höflich: »Wir sind schon Hohenloher, das ist was anderes!«
Frau Luft lächelte scheinbar beflissen. »Natürlich!«
Als rettender Engel erschien John, der Pizzabäcker aus Sri Lanka, und brachte seine hervorragende Pizza an den Tisch.
Heiko hatte eine Calzone bestellt, Lisa eine Frutti di Mare und Frau Luft einen großen Italienischen Salat.
Bei John machte es keinen Sinn, italienisch zu reden, daher sagte Lisa: »Danke«, als er die Pizza vor ihr abstellte.
Heiko entdeckte erneut undefinierbares Meeresviechzeugs auf Lisas Pizza. Was Kleines, Lilafarbenes mit acht Armen. Igitt.
Frau Luft stocherte wütend im Salat. »Für meine Lieselotte ist das Landleben nichts. Sie ist die Stadt gewohnt. Sie braucht auch ein bisschen Kultur und nicht bloß Stalltiere, nicht wahr, Lisa?« Lisa wurde blass. »Jetzt reiß dich mal zusammen, Mutter!«, zischte sie und grinste Heiko entschuldigend an.
Der hatte unterdessen große Mühe, sich zu beherrschen. Hatte er da richtig gehört? Lieselotte? Er trank einen Schluck und versteckte sein Gegrinse hinter dem Glas.
Frau Luft aß ein Stück Tomate. »Aber gut, der Salat«, befand sie und wechselte damit überaus unelegant das Thema. »Und wie lange sind Sie schon mit meiner Tochter zusammen?«, fragte sie nun Heiko.
Der verschluckte sich fast an seinem Bissen Calzone und trank erst einen Schluck Cola, bevor er sagte:
»Och, wissen Sie, gefunkt
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