Ohrenzeugen
hat es eigentlich gleich zwischen uns, ja, so war das!«
Lisa streichelte ihm lächelnd den Handrücken und zwinkerte ihm zu. Er machte das gar nicht mal schlecht.
»Und wollen Sie sie einmal heiraten?«
Heiko kaute, schluckte. »Nun, das ist noch ein bisschen früh, finden Sie nicht?«
Frau Luft schüttelte energisch den Kopf, sodass ihre Frisur hin und her wackelte. »Ganz und gar nicht finde ich das«, widersprach sie. »Lieselotte ist 32. Da wird es höchste Zeit, denn die biologische Uhr tickt, nicht wahr, meine Liebe?«
Lisa schwieg eisern. »Meine Lieselotte war nämlich schon einmal verlobt. Ein netter junger Mann«, führte Frau Luft weiter aus. »Schade, dass die beiden nicht mehr zusammen sind, sehr, sehr schade!«
»Der ist ja indiskutabel!«, schimpfte Frau Luft, als sie wieder zu Hause waren. »Er kann sich nicht mal richtig rasieren. Und dieses komische Schwäbisch. Ein furchtbarer Dialekt!«
»Mutter, du hast dich unmöglich benommen!«, tadelte Lisa gefährlich ruhig. »Lass mich jetzt bitte in Ruhe!«
Ihre Mutter erstarrte. Lisa wusste, dass das der Moment war, bevor sie explodieren würde. »Also«, setzte sie an, kam aber nicht weiter.
»Jetzt hör mir gut zu!«, schrie Lisa lauter, als sie gewollt hatte. »Das hier ist mein Leben und es geht dich nichts an. Mein Freund geht dich nichts an, Crailsheim geht dich nichts an, Stefan geht dich nichts an. Lass mich bitte einfach in Ruhe!«
Es endete damit, dass Frau Luft ins Hotel Post Faber zog. Sie wollte sich noch nicht geschlagen geben.
Gleichzeitig war sie aber so beleidigt, dass sie keinesfalls bei Lisa übernachten wollte– obwohl diese sich bei ihr wegen ihres angeblich völlig überzogenen Ausbruches entschuldigt hatte.
Sonntag, 19. April
Am Sonntag waren sie zusammen einen Kaffee trinken und ihre Mutter lobte weiterhin die Vorzüge von Stefan gegenüber dem unkultivierten, barbarischen Schwaben. Am frühen Abend fuhr sie, immer noch äußerst verstimmt, zurück nach Wesel.
Es war Volksfest.
Er wusste es genau, denn es handelte sich um dieselbe Halle, in der immer die Ausstellungen stattfanden. Er konnte den Duft des Heus riechen, das nervöse Scharren und Stampfen der Rammler. Er hörte das hysterische Gegacker der Hühner, einige wenige hohe Quieker, die von Meerschweinchen stammten.
Er schloss die Augen und öffnete sie wieder, aber das Bild war noch da. Er schwitzte. Kein Zweifel, er war auf dem Volksfest.
Fritz Maler verkrampfte seine Hände ineinander, bis sie schmerzten. Suchend sah er sich nach seiner Frau um, aber sie war nicht da. Sie war niemals da, wenn man sie wirklich brauchte. Sie hockte wohl wieder mal mit ihren Freundinnen vorne im Café. Na egal. Er würde es überleben. Und diesmal würde es klappen, ganz bestimmt. Der Sepp hatte ihm schon zugewispert, es sähe gut aus. Und er fand, er hätte es verdient. Nach so vielen Jahren der Anstrengung.
Nun wurde es spannend. Gerade verteilten die Preisrichter die Schildchen. Und er hatte diesmal seinen Gotthilf dabei, seinen Besten im Stall. Ein prachtvoller Rammler, wie gesagt, sein Bester. Und dieses Mal würde es klappen, da war er sich sicher.
Er knetete seine feuchten Hände. Verdammt, warum dauerte das denn so lange?
Endlose Minuten verstrichen, und dann, schließlich, als die Juroren herauskamen, schlenderte er so schnell, wie es die Höflichkeit erlaubte, zum Käfig von Gotthilf. Schon von Weitem sah er das Schildchen, konnte es aber nicht lesen. Näher und näher kam er, immer näher, und schließlich, endlich, konnte er lesen, was da stand auf dem Schildchen. ›Gut‹, stand da, bloß ›gut‹. Und nebenan beim Alfred, beim Rammler vom Weidner, stand ›Gesamtsieger‹.
Schreiend erwachte er. Seine Frau saß mit offenen Augen aufrecht neben ihm im Bett.
»Was ist denn los, Fritz?«, fragte sie besorgt. Fritz Maler brauchte eine Weile, um zu verstehen. Dann stahl sich ein seliges Lächeln auf seine Lippen. »Nichts, mein Schatz. Ein Albtraum, nur ein Albtraum. Und ein völlig irrealer noch dazu.«
Es ratterte und der Boden schwankte. Die Mitglieder des Kleintierzuchtvereins Crailsheim blickten sich unsicher an.
Da tönte wieder die Stimme aus dem Lautsprecher: »Ja, meine Damen und Herren, inzwischen befinden wir uns in der Schleuse Nummer 12 bei Heilbronn.
Diese Doppelschleuse hat eine Größe von 107 mal 12 Metern und wir sinken hier um ganze 3,2 Meter.
Sehen Sie ruhig nach Backbord– und ich habe Ihnen erklärt, Backbord
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