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Ohrenzeugen

Titel: Ohrenzeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wildis Streng
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Jahren war er allerdings immer verschlossener geworden, was wohl auch an Max und Silke gelegen hatte.
    Und an der Mutter. Und vielleicht auch am Saufen. Die Ehe war nur noch ein Trümmerhaufen gewesen.
    Die Kühe muhten.
    Karl streckte sich noch einmal und arbeitete dann weiter.
     
    Lisas Finger trommelten gegen die Armatur des BMW.
    »Und jetzt?«
    »Morgen ist Beerdigung. Da sollten wir auf jeden Fall hin.«
    »Freust du dich auch schon so auf heute Abend?«, fragte Lisa.
    Heiko runzelte die Stirn. Oh Gott. Die Oper. Das hatte er erfolgreich verdrängt. Er lächelte und sagte dann: »Klar.«
     
    Die Glocke am Kirchturm der Veitskirche schlug vier Uhr.
    Ganz wie früher läutete die Glocke noch zu wirklich relevanten Zeiten, und zwar richtig, nicht so dezent bimmelnd im Hintergrund.
    Nämlich morgens um sechs, wenn die Bauern frühstücken sollten, um vier, wenn sie die Feldarbeit ruhen lassen sollten, um halb sieben, wenn es Vesper geben sollte und um Mitternacht, was allerdings weniger logisch war, weil man da ja schließlich schlafen sollte.
    Aber weil die Glocken eben um vier auch läuteten, kam es, dass die Kindergartenkinder immer von Glockengeläut begleitet aus dem Kindergarten in der Seestraße strömten.
    Marco war selbst schon in diesen Kindergarten gegangen und hatte gute Erinnerungen daran. Und auch wenn Leon nicht sein Sohn war, so holte er ihn doch gern vom Kindergarten ab.
    Der Kleine war recht aufgeweckt, ein cleveres Kerlchen. So einen hätte er auch mal gern. Er versuchte, dem Jungen so was wie ein Vater zu sein, denn einen richtigen Vater schien er ja nicht wirklich zu haben.
    Marco hatte schon oft gerätselt, um wen es sich bei dem Erzeuger handeln könnte, und war dabei zu dem Schluss gekommen, dass Leon wohl das Ergebnis eines One-Night-Stands sein musste, die es seines Wissens in Silkes wilder Apfelbaum-Disco-Zeit einigermaßen zahlreich gegeben hatte.
    Schon öffneten sich die Türen des Kindergartens und die Kleinen tapsten heraus, irgendwelche selbst gemalten Bilder in den Händen.
    Marco entdeckte Leon im Pulk und erwartete ihn lächelnd. »Ciao, Leon!«, sagte Marco dann und machte den ›Gib-mir-Fünf-Handschlag‹, der im Kindergarten gerade in war.
    »Ciao, Papa«, grüßte Leon und Marco freute sich über die Anrede. Er nahm den Jungen, der heute seine coole Minijeansjacke trug, an die Hand.
    »Na, wie war’s?«, wollte er wissen.
    Leon schüttelte den Kopf. »Doof«, sagte er nur. Marco deutete auf das Bild, das der Kleine mit der schwitzigen Rechten umklammert hielt.
    »Aber du hast doch so ein schönes Bild gemalt! Mit Blumen drauf und Mama und mir, gell? Und wer ist das?«
    »Opa«, erklärte der Kleine und Marco schluckte.
    »So, der Opa«, wiederholte er und hoffte, dass der Junge es dabei belassen würde. In solchen Sachen war er gar nicht gut.
    »Du, die anderen sagen, der Opa ist tot«, sagte Leon trotzdem. Das hatte Marco vermeiden wollen.
    Pause.
    »Stimmt das?«, beharrte der Kleine. »Mama hat gesagt, er ist weggegangen!«
    Marco blieb stehen und ging in die Knie, damit er mit Leon auf Augenhöhe war.
    »Du bist doch ein Mann und Männer können die Wahrheit ertragen, gell?«, fragte er.
    Leon nickte.
    »Das hat deine Mama gesagt, damit du nicht so traurig bist. Aber deine Freunde haben schon recht. Dein Opa ist wirklich tot und das tut mir leid!«
    Leon schluckte, trotzdem nickte er tapfer. »Mir auch!«, stimmte er zu.
    Marco stand wieder auf und sie setzten ihren Weg fort.
    »Papa, was ist, wenn man tot ist?«, wollte Leon wissen.
    »Nun, äh, dann, dann lebt man halt nicht mehr!«
    »Und wo ist man dann?«
    Marco überlegte kurz: »Im Himmel!«
    Schweigen.
    Der Kleine schien zu grübeln. Dann fragte er: »Ist Opa jetzt also im Himmel?«
    »Ja, ganz bestimmt!«, versicherte Marco.
    »Und gibt es da auch Hasen, im Himmel?«
    Marco dachte verwundert, dass der Kleine schon kapiert hätte, was dem Alten wichtig gewesen war.
    »Klar! Lauter Deutsche Riesenschecken!«, versprach er also.
    »Ich hab’ den Opa lieb!«, sagte der Kleine, was Marco wiederum einen Stich ins Herz versetzte, denn der Weidner hatte den Kleinen manchmal als Bastard bezeichnet und ihn kaum beachtet. Aber Gott sei Dank wusste der Junge das ja nicht.
    »Er dich auch!«, hörte Marco sich sagen.
     
    Die Luft war kalt. Obwohl sie schon April hatten. Im krassen Kontrast dazu standen die Blumen und Blüten, die überall in den Vorgärten sprossen und einen leichten Duft verströmten.
    Sita zerrte an

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