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Ohrenzeugen

Titel: Ohrenzeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wildis Streng
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einen hellen Anzug mit grauer Krawatte, Heiko einen schwarzen mit dunkelroter Krawatte, und Lisa trug ein dunkelgrünes Kleid, das vorne kurz über dem Knie endete, hinten jedoch fast bis zum Boden fiel.
    Ferner hatte es einen bemerkenswerten Ausschnitt, der es den beiden Männern sehr erschwerte, ihrer Begleiterin ins Gesicht zu schauen und nicht sonst wohin. Lisas Dekolleté wurde nämlich zudem noch von einer Kette mit grünen Steinen verziert, die zu den Ohrringen passte.
    In der Hand hielt sie eine dieser komischen Handtaschen ohne Henkel. Heiko hatte ja nie verstanden, warum Frauen sich diese Dinger antaten– die waren ja so was von unpraktisch! Überhaupt war er froh, dass er alles, aber auch alles, was er den Tag über brauchte, in den Taschen seiner Jeans verstauen konnte. Jetzt hatte er sich den Geldbeutel in die Gesäßtasche gezwängt, das Handy steckte im Sakko.
    »Du siehscht ganz bezaubärnt aus«, sagte Simon, und Lisa lächelte.
    »Hm«, brummte Heiko.
    »Danke«, hauchte Lisa und strich sich verlegen eine Haarsträhne, die sich aus ihrer Hochsteckfrisur gelöst hatte, aus dem Gesicht.
     
    Sie hatten Plätze in der dritten Reihe. Gute, teure Plätze, wie Simon betonte. Lisa sei eingeladen.
    Heiko bezahlte daraufhin seine Karte sofort und auf der Stelle. 83,50 Euro. Diese Oper musste verdammt gut sein, wenn sich das rentieren sollte.
    Sie nahmen Platz und Heiko sah das tiefer gelegene Orchester. Alle wirkten hochkonzentriert, die Musiker mit den Streichinstrumenten entlockten ihren Instrumenten schauerliche Laute und drehten dabei an irgendwelchen Rädchen herum.
    Das Publikum tuschelte erwartungsvoll und schließlich, endlich, hob sich der schwere, rotsamtene Vorhang.
    Sofort setzte Simon eine gebildet-kultivierte Miene auf.
    Heiko lehnte sich erst mal zurück und ließ die Szenerie auf sich wirken.
    Die Bühne war dunkel. Nun erschienen schwarz gekleidete Gestalten, die Halogenlampen in den Händen trugen und in gebückter Haltung über die Bühne schlichen.
    Heiko fragte sich, ob die etwas verloren hätten. Aber da die Musik bereits eingesetzt hatte– ein düsteres Geschrammel der Streicher–, musste er annehmen, dass das da zur Oper gehörte.
    Er hatte sich eigentlich bunt gekleidete Menschen mit schrillen Stimmen vorgestellt.
    Nun war er doch einigermaßen schockiert.
    Endlich, nachdem die Männer gut eine Viertelstunde die Bühne abgesucht hatten, erschien eine dürre Blondine im Nachthemd und sang herzzerreißend. Es hörte sich seltsam falsch an, als würde sie die Töne nicht treffen.
    Dann, plötzlich, gesellte sich ein Kerl im schwarzen Anzug zu ihr und brummte irgendwas im Bass, woraufhin sie spitze Schreie ausstieß, die Heiko verdammt an das Meerschweinchen erinnerten, das die Nachbarstochter früher besessen hatte.
    Das da war alles andere als erträglich.
    Es war furchtbar, Folter, eine Beleidigung für die Ohren.
    Da lobte er sich doch die 90er. Guns’n’Roses. Bon Jovi. Metallica. Sogar die New Kids on the Block waren noch besser als das da.
    Verstohlen linste er zu Lisa, die mit undeutbarer Miene neben ihm saß. Ihre Ohrringe bewegten sich leicht in einem nicht spürbaren Luftzug.
    Simon hielt die Augen geschlossen und lauschte scheinbar ergriffen.
    Heiko schüttelte verständnislos den Kopf. Er überlegte, ob es wohl sehr auffallen würde, wenn er sich die Ohren zuhielte.
    Der Mann im Anzug brüllte nun wie ein hungriger Bär. Also, wenn diese Oper ein Bild wäre, wäre sie eindeutig in die Kategorie ›Das brennt nicht mal mehr‹ einzuordnen. Oder es müsste eine eigene Kategorie erfunden werden.
     
    In der Pause, die Heiko inständig herbeigesehnt hatte, lobte Simon die ›Kafkaeschken Kombonänten‹ des Werkes.
    Lisa bemerkte höflich, das Ganze sei schon etwas Besonderes, während sie sich an ihrem Glas Sekt festklammerte.
    Nur Heiko brummte wenig zustimmend. »Findescht du das nicht auch, Heiko?«, fragte Simon.
    Heiko schüttelte den Kopf. »Nein, das finde ich nicht. Ich finde, dass das Ganze hier eine absolute Zumutung ist. Grauenhaft. Furchtbar. So was könnte man als Foltermethode einsetzen, aber locker!«
    Eine ältere Dame, die in einem für ihr Alter viel zu hellroten Kleid an der Bar neben ihm stand, schüttelte missbilligend den Kopf und rückte demonstrativ von ihm weg. Der Kerl neben ihr, der einen Smoking mit einer zu ihrem Kleid passenden Fliege hatte anziehen müssen, verkniff sich jedoch eindeutig ein Grinsen.
    »Also die Hohenlohär sind halt einfach

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