Ohrenzeugen
Polizisten sind doch ziemlich auf Zack, die finden schon die Wahrheit heraus! Und um deinen Marco brauchst du dir keine Gedanken zu machen, der ist schwer in Ordnung! Noch Kaffee?«
Maria nickte. Erna goss nach und legte Maria ungefragt noch ein Stück vom versunkenen Apfelkuchen auf den Teller.
Doch die war viel zu sehr mit ihren Gedanken beschäftigt, um zu protestieren, wie sie es sonst immer tat. »Ich freue mich, dass unsere beiden zusammen sind. Das ist schon was Ernstes, glaube ich.«
Erna nickte.
»Und mit dem Kleinen kommt Marco auch ganz gut klar.« Die Bäuerin wies auf das am Boden hockende Kind, das ganz in sein Spiel mit dem Straßenteppich und seinen Miniaturautos versunken war.
»Aber wie geht es dir? Ich rede die ganze Zeit von mir, bitte entschuldige!«
Erna betrachtete sinnend ihre Kaffeetasse. »Jetzt, wo er unter der Erde ist, ist es leichter! Aber die Arbeit ist schwer, sehr schwer. Aber der Karl hilft mir schon! Der schafft sehr schwer, is auch ein guter Junge.«
Maria trank Kaffee und stach ergeben ein Stück vom Kuchen ab. »Ihr könnt euch doch eine Hofhilfe besorgen, das gibt’s doch. Das ist vielleicht gar nicht so schlecht!«
Erna Weidner zuckte die Achseln. Meist waren die Hofhilfen gescheiterte Bauern, die ihren Hof– oft nach Generationen im Familienbesitz– wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage aufgeben mussten. Tragische Gestalten, wirklich.
»Und was ist mit ihm? Was sagt er dazu?«, meinte Maria nun.
Die Uhr tickte. Die Bäuerin zuckte die Achseln.
»Wie das weitergehen soll, weiß ich auch nicht! Der hat ganz verrückte Ideen.«
Maria machte: »Hm«, und rührte im Kaffee.
»Aber du liebst ihn, ja?«
»Schon!«
Leon stand plötzlich auf, watschelte zum Tisch und fragte: »Oma, kriege ich einen Kuchen?«
»Wie heißt das, Kleiner?«
»Bitte!«, krähte der Dreijährige sofort.
Erna hob ihren Enkel vom Boden auf, setzte ihn auf den freien Stuhl neben sich und drückte ihm ein Stück Hefezopf in die Hand, das Leon sofort begeistert zu kneten begann.
»Willst du wissen, was ich denke?«, fragte Maria kauend. »Ich denke, du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben. Ich hätte es mit deinem Rudi auch nicht ausgehalten. Der Silvio ist ja schon schwierig, aber der Rudi war manchmal schon richtig anstrengend!«
Erna Weidner schwieg und kaute Schwarzwälder Kirschtorte.
»Oder etwa nicht?«
Die Witwe senkte den Blick.
»Ha ja. Weißt du, früher, da waren wir so glücklich. Wie konnte das nur passieren?«
Maria schüttelte den Kopf. »Solche Dinge passieren eben«, tröstete sie und legte ihrer Freundin eine Hand auf den Arm. »Du musst jetzt das Beste aus deiner Lage machen. Du brauchst dich wegen ihm nicht zu genieren. Warte eine Weile, und dann kannst du dich offiziell mit ihm sehen lassen! Vielleicht könnt ihr sogar irgendwann heiraten.«
Erna nickte. »Vielleicht mache ich das!«
In der Wohnung war es schummrig. Es roch nach Alkohol und kaltem Rauch.
»Er ist in der Küche, hat der Winterbach gesagt!«
Sie durchquerten das Wohnzimmer und hörten auch wirklich einige krächzende Laute, die sich schwer nach Papagei anhörten. Lisa öffnete den Raum, aus dem das Geräusch drang, und fand sich Auge in Auge mit einem mittelgroßen Graupapagei, der sie nun interessiert musterte.
»Roooaak«, machte der Vogel und drehte den Kopf um 180 Grad.
»Du bist ja hübsch«, meinte Lisa und schnappte sich die Packung mit dem Vogelfutter, die neben dem eigentlich zu kleinen Käfig stand. Hansi hielt sich mit dem Schnabel am Gitter fest und kletterte mit seinen fleischigen, riesenhaften Füßen begeistert in Richtung Futterschüssel.
»Vorsicht, die können beißen!«, warnte Heiko.
»Rooooak«, machte Hansi und sah nun wirklich ein bisschen gefährlich aus. Heiko nahm Lisa die Packung aus der Hand und hielt sie über den Käfig.
Der Vogel fixierte sie und sagte dann laut und deutlich: »Du Depp, du!«
Heiko hätte vor Schreck beinah das Futter fallen lassen, Lisa blinzelte und wusste offenbar nicht, wie sie reagieren sollte. »Hat mich das Vieh grad’ beschimpft?«, wollte Heiko wissen.
Lisa starrte immer noch entgeistert auf den Vogel. »Scheint so.«
»Deppdepp, Deppdepp du!«, wiederholte der Vogel und wippte ungeduldig auf und ab. Heiko ließ Futter in die Schüssel rieseln.
»Am besten, du nimmst ihn mit zu dir nach Hause!«, schlug er dann vor.
»Iiiich? Falls du es vergessen hast, ich habe eine Katze! Und Katzen haben Vögel zum Fressen gern!
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