Ohrenzeugen
die Lippen mit einer sehr rosafarbenen Zunge. »Ha, ’s Geeld!«
»Wieso?«
»Ha, der Itaker ist doch arbeitslos. Kein Wunder, wenn ihr mich fragt. Und d’ Silke erbt ja vielleicht auch aweng was!«
»Und Sie erben auch«, versetzte Lisa.
»Aber ich hätte bloß warten müssen. Und der Marco hätte lang warten können, sehr lang! Wer weiß, vielleicht hat sie in ein paar Monaten schon wieder einen anderen, die Hur’.«
Die Kommissarin hatte nun gar nichts mehr für den lädierten Winterbach übrig, selbst wenn Silke auch für ihren Geschmack einen Tick zu schlampig rumlief. Aber das ging sie nichts an, sie nicht und Winterbach, dem die Eifersucht aus den Augen schaute, noch viel weniger.
»Könnt ihr zwei mir einen Gefallen tun?«, fragte Herbert plötzlich.
»Welchen denn?«, wollte Heiko wissen.
Herbert trank einen Schluck Wasser und sagte dann: »Ich hab’ einen Vogel. An Babagei. Und so, wie es aussieht, muss ich hier noch eine Woche oder so bleiben! Nach den Hasen schaut der Held, netterweise, aber den Vogel will ich ihm nicht auch noch aufdrücken. Ich will ihn aber auch nicht grad ins Tierheim tun.«
»Wir kümmern uns um ihn«, versprach Heiko.
Winterbach nickte. »Danke. Der Schlüssel ist in der Schublade. Und der Vogel ist in der Küche. Er heißt Hansi.«
»Vielleicht sollten wir doch Marco Campo mal einen Besuch abstatten, meinst du nicht?«, schlug Lisa vor. »So unsympathisch dieser Winterbach auch ist, ganz so abwegig finde ich den Gedanken, dass der junge Campo in dem Mord irgendwie mit drinhängt, nicht.«
Heiko stimmte zu und hielt Lisa die Autotüre auf. »Dann ab nach Tiefenbach. Und da holen wir dann gleich noch diesen… Hansi.«
Um diese Zeit war Marco zu Hause. Das Wohnhaus gehörte zur Pizzeria, man musste um das Restaurant herumgehen und einen kleinen Hof überqueren, in dem es ein Beet gab, das bereits eingesät aussah.
»Ob die wohl das Gemüse auf ihre Pizza tun?«, fragte Lisa.
»Sicher«, meinte Heiko. »Müssen wir im Sommer mal probieren!«
Auf dem Hof standen außerdem mehrere rote Sitzgruppen aus Plastik, daneben jeweils zusammengefaltete Sonnenschirme mit verblassten Coca-Cola-Schriftzügen in Grau-Rosa, alles mit langen, schweren Ketten gesichert.
Der nutzlose Biergarten wirkte irgendwie trostlos und die Sitzgruppen hatten was von schlafenden Aliens.
Das Türschild machte nicht viel her, ›Campo‹ stand mit Kuli nachlässig auf vergilbtes Papier gekritzelt. Sie klingelten und es dauerte nicht lange, bis geöffnet wurde. Marco sah zerzaust aus und steckte in einem schwarzen Adidas-Jogginganzug. Er schien ehrlich überrascht zu sein, die beiden zu sehen.
»Moorcha«, murmelte er, obwohl es schon nach Mittag war.
»Na, war eine lange Nacht gestern, gell?«, vermutete Heiko und drängte ungefragt am verdutzten jungen Campo vorbei ins Haus. Lisa folgte ihm.
»Kommt doch rein«, sagte Marco ironischerweise und geleitete die Kommissare ins Wohnzimmer. Das Wohnzimmer war überaus modern eingerichtet, in hellen Cremetönen und mit dezenten, aber weichen Teppichböden. Ein großer Fernseher stand in einer Ecke des Raumes und an der gegenüberliegenden Seite befand sich als einziges antikes Stück ein alter Schallplattenschrank mit Plattenspieler. An den Wänden hingen große, abstrakte Bilder.
»Mei Mudder«, erklärte Marco. »Die malt selber.«
Alle betrachteten kurz die Bilder und Lisa befand: »Schön«, während Heiko die Werke gedanklich in ›Gang zur Garage‹ einordnete. Marco schien eher seine als Lisas Meinung zu teilen.
»Kaffee?«, fragte er, doch Heiko winkte ab.
»Und, wie kann ich euch helfen?«, wollte Marco wissen und deutete ihnen an, sich zu setzen. Die Couch war hart, aber bequem.
»Wann sind Sie denn gestern aus dem Peanuts heim, Herr Campo?«, fragte nun Heiko in ungewöhnlich förmlichem Tonfall.
»Wieso? Ist wieder einer umgebracht worden?« Er erhielt keine Antwort, erntete stattdessen aber ein Schulterzucken von Heiko. Marco zündete sich eine Zigarette an.
»Um halb zwei!«, gab er Auskunft, während er einen ersten Rauchfaden ausblies.
»Und danach?«, fragte Lisa weiter.
»Danach hab’ ich meine Silke nach Hause gebracht und bin dann hierher«, antwortete Marco und seine Finger trommelten auf die Lehne des Sessels, in dem er sich fläzte. Dann rauchte er wieder. Heiko lehnte sich nach vorne. »Könnte es nicht sein, dass Sie noch einen Abstecher zum Winterbach gemacht haben und den zusammengeschlagen haben?«, fragte er
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