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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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behalten.
    Um auf eine wichtige Frage einzugehen: Es war der übertriebene Ausschlag des Erlebens von Trainingswert für einen, der seit Geraumem mündlich wie schriftlich erfährt, ihm sei das Erscheinen eines gewissen Staates ebenso wie dessen Verschwinden anzulasten. Glaube ich den Leuten, dann habe ich des öfteren auf zu hohem Roß gesessen. Da sage ich jetzt, wie ich einmal auf eines geraten bin:
    Ich ging wie immer, also ohne mit den Repräsentanten der Firma Moeller & Moeller über Fragen von Status oder Salär verhandelt zu haben, meinen Pflichten als Setzer und Drucker nach und fuhr wie immer am Donnerstag ins Schwimmbad Gartenstraße. Wie immer gab ich mich zunächst den Wonnen aus volkseigenem Duschwasser und Schaum einer Seife hin, in der, wie Frau Moeller betonte, wenn sie ein Stück davon an mich weiterreichte, Palmen- und Olivensäfte versammelt waren. Eine Mixtur, die nach ihrer Ansicht zur erfreulichen Stabilität von Unilever-Aktien, aber auch der von Procter & Gamble beigetragen hatte.
    Weniger Behagen machte mir, daß ich mich nach Anstaltsvorschrift über die Badehose hinaus mit einer Haube versehen mußte, die in der Hausordnung als Schwimmsportkappe aufgeführt war. Was weder ihrer noch meiner natürlichen Schönheit etwas hinzufügte. Das Käppchen war eine Sache der Hygiene und weniger der Ästhetik und verstand sich als Teil der konspirativen Tarnung, wie ich begriff, als Genosse Zimmetsberger neben mir an der bläulich gekachelten Bassinwand aus der Chlorlake auftrieb.
    Er häkelte sich in die korkbestückte Begrenzungsleine und schien sich auf länger einzurichten. Auch sein Gesicht, das ganz wie meines nicht zu den besonders anziehenden zählte, wurde unter der näßlichen Mütze kaum anziehender. Aber unsichtbar wurde es fast. So daß ich ihn zu Mister Nonface ernannte. Der Farbton seines Häubchens paßte zur Beckentäfelungwie das kommunale Wasser zu seinem derzeit brillenlosen Antlitz. Ähnlich sicher, wie er mich in den Wogen unterm Dreimeterbrett zu finden gewußt hatte, gab er seine Bewertung der Springer und Sprünge bekannt. Ich wollte ihn gerade zu den Befehlshabern schlagen, die vor Niederen mit ihren irdischen Kenntnissen prahlen, als er zu anderen Wertungen überging.
    »Kompliment zum Examen«, sprach sein Mund nahe meinem nassen Ohr, während seine Augen bei den Sprungbrettkünstlern waren, als gelte denen das Kompliment. Kommunikation sei ein Herzstück seines Gewerbes und die sorgliche Dokumentation der internationalen Entwicklung das tägliche Brot diesbezüglicher Gewerbetreibender. Staatlich und zwischenstaatlich laufe es zufriedenstellend bis gut, doch hapere es, wo gesellschaftliche und private Schienen zusammenstießen. Deren Versöhnung sei geboten. Womöglich stelle etwas Halbstaatliches die Lösung dar. Seinem Organ schwebe ein Organ vor, vorerst ein Orgänchen, das seine Leser über den Weltstand des Informationswesens informiere. Eine gehobene Litfaßsäule gewissermaßen. Beim Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands angebunden, bei Moeller & Moeller gedruckt, von mir technisch betreut, von Professor Niklas theoretisch unterstützt und in einigen praktischen Fragen von ihm. – Ob ich interessiert sei.
    Man konnte es so nennen. Doch wußte ich von meinen Grenzen als Versöhner. Auch schien mir die Zahl der Chefs zu hoch. Moeller & Moeller & Niklas & Zimmetsberger & vom Kulturbund eine Verbindungsperson, das ergab eines jener Leitungskollektive, die hin und wieder in Mode standen, ohne von überzeugender Wirkung zu sein. Überzeugt war ich nur, jede heterogene Führung werde sich, ginge es um eine riskante Plackerei, alsbald auf mich als den Ausführenden einigen. Und für den Fall, das Ausgeführte schlage nicht im gewünschten Maße an, auf mich als den Schuldigen.
    Diese Rolle sei mir zu vertraut, als daß ich sie spielen wolle, sagte ich zum Genossen Zimmetsberger, der mir im keimgehemmten Badewasser unter seiner gleichmacherischen Kappe ein brüderliches Gegenüber war.
    Soweit es sich im Becken erlaubte, machte Mr. Nonface eine wegwerfende Handbewegung, die ebensogut der eher gehechelten als gehechteten Darbietung eines Brettspringers gelten konnte. Soweit seine Züge nicht von der Haube eingefesselt waren, deuteten sie ein Lächeln an. Soweit ich verstand, verstand er mich gut. Es lasse sich einrichten, sprach er mit gezügeltem Mund, an dem sich ein allfallsiger feindlicher Lippenleser die Zähne ausgebissen hätte, daß er die einzige

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