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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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sich der Vertreter unseres Vaterlandes ein wenig besser mit diesem aus. Ich nicht minder, da ich ein guter Zuhörer bin. Ehe ich in den Schlaf sank, beschloß ich, mir einiges von dem, was ich von mir erfahren hatte, sorglich zu merken.
    Was sich traf, weil nach dem Frühstück eine Dame aus Harvard fragte, ob ich an der Abteilung für Osteuropäische Studien einen Vortrag über die Lage in Ostdeutschland halten könne. Ach, lieber nicht; na gut; wann denn? Jetzt gleich; sie schicke einen Wagen. Der war da, bevor ich die Erkenntnisse des Vorabends zum Redebündel schnüren konnte.
    Aus der Zahl der Versammelten zu schließen, muß Harvard in Osteuropäischen Studien führend gewesen sein. Die morgendliche Wißbegier der Gelehrten stand der abendlichen meines Ambassadors nicht nach. Das konnte man eher vom Verhältnis zwischen meinem und ihrem Englisch sagen. Doch übertraf meine Sprachkenntnis immer noch meine Sachkenntnis, soweit es um deutsche Aussichten ging. Ob es an den von mir ausgereichten Informationen oder an deren Formulierung gelegen hat – mehrmals tat die Abteilung für Osteuropäische Studien im efeuumrankten Harvard, als habe sie nicht recht gehört. Mir ging es seit Monden kaum anders; warum sollte Amerika es besser haben?
    Wie weit mein Vortrag von Einfluß auf den strategischenKurs des State Departments gewesen ist, überblicke ich nicht. Solange der Kongreß lief, war nichts zu spüren. Ich hielt die zwei Tage in Boston gut aus und lernte, daß die Stadt der Glorreichen Teeparty auch nur mit Wasser kocht. Eifersüchtige Gedanken über den Lokalhelden JFK und seine Nähe zu Marilyn hielt ich mir aus dem Kopf. Wobei es half, daß ich von der versammelten Kommunikationswissenschaft als fleischgewordene Litfaßsäule so gut wie gänzlich in Beschlag genommen war.
    Nach hundert Auskünften rundum rechtschaffen müde, schiffte ich mich Richtung Tegel ein und bedachte die Frage, ob sich mein Vaterland an meine Entwürfe halten werde, nur matt gespannt. Auch sah ich kaum auf, als eine Dame am Flugschalter bat, man möge mich neben einer guten Bekannten plazieren, die mit gleichem Rückflugziel im Anmarsch sei.
    Im Anmarsch zeigte sich Sonja Butterweck, der ich in unserer verklungenen Ehe des öfteren und bei einer eben vergangenen Demonstration, von der ich gleich berichte, kurz und auf Distanz begegnen durfte. Sie war Choreographin inzwischen und von Slickmann ebenso geschieden wie vorher von mir. Seminarhalber sei sie in den Staaten gewesen und froh, ein vertrautes Gesicht zu sehen. Ihre Flugangst, von der ich wohl wisse und von der ich weiß Gott Muster hatte, lasse sie immer noch nach dem ersten besten Begleiter greifen.
    Ich hätte erwidern können, diese Eigenheit habe sie nicht nur über den Wolken, sondern auch zu Wasser wie Lande gezeigt. Doch war ich nach dem Dienst als tönende Litfaßsäule und infolge mehrerer nachgeholter Truthahn-Essen, bei denen ich Gesichte von meiner Mutter Puten und deren Mörder, dem Marder, hatte, zu mürbe, um der ehemaligen Gefährtin ins Wort zu fallen. Zudem, was sollte es noch? Jennifer Król vom Märkischen Museum hatte mir längst die Schrammen geglättet.
    Schon richtig, doch war von Boston bis Tegel das Sagen bei Sonja Butterweck, der Verdienten Choreographin, der die Ballett-Welt eine Schnäbeltanz-Paraphrase auf den Säbeltanz verdankt. Auftrittshalber, pflegte die mir verehelichte Künstlerin zu unserer Zeit zu beteuern; eigentlich hänge sie Schönberg und Prokofjew an.
    »Dieser Slickmann!« sprach sie, kaum waren wir im Shuttle nach New York zusammengepfercht. Dann schwieg sie, als sei alles gesagt. Doch machten nur Anlauf und Steigflug sie auf Zeit verstummen. Als wir Reisehöhe erreicht hatten, hieß es ein weiteres Mal: »Dieser Slickmann!« Wobei meine ehemalige Gattin den Intensivton traf, der mir noch von ihrem parteilichen Klageruf dieser Biermann! vertraut war. Auch wohnte Toni Buddenbrooks vernichtende Bewertung dieser Grünlich! ihrem Ausbruch inne. Was ich schläfrig hörte, als Sonja Butterweck hoch über den Ostküstenwolken ihr Leben vor mir Revue passieren ließ. Mehrfach rief sie: »Dieser Slickmann!« , was mehrfach wie dieser Biermann! und immer wie dieser Grünlich! klang. Ich kam gar nicht vor.
    Das änderte sich beim Transitstopp in New York. Ein UNO-Jungmann überbrachte Grüße vom Genossen UNO-Botschafter. Er habe Auftrag, mir in den zwei Stunden meines Aufenthalts zur Verfügung zu stehen. Hatte ich Wünsche?
    Ich nicht, aber

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