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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Leonhards Veterinärkittel an und sein Veterinärkäppi auf, um für den Fall, so denke ich, eine Kreatur zeige sich hilfsbedürftig, an Leonhards Stelle, in seinem Namen erkennbar zur Stelle zu sein. Zugleich und gerade, weil die Anarchistin als Pianopädagogin ein kulturvoller Mensch war, kann sie der musisch-rebellische Geist zunächst überwältigt haben. Obwohl vor allem ausgezogen, zum friedvollen Tanz zur Bastille ein Liedchen zu blasen, sah sie sich durch die angedeutete Tendenz an der Spitze des Zuges genötigt, der Ordnung als Reglerin zu Hilfe zu eilen.
    Als solche begegnete sie mir, ohne daß sich unsere Blicke getroffen hätten. Spielten schon ihr weißes Käppi und ihr weißer Kittel der Vorstellung in die Hand, hier habe befugte Verkehrslenkung ihr Wesen, verstärkte Adele den Eindruck, indem sie einen Gegenstand an ihre Lippen führte, der leicht für eine amtliche Überflöte gehalten werden konnte. Tatsächlich entpreßte sie meiner Okarina schrille Pfiffe, die solchem Gerät, seit man auf Wisent und Auerochsen jagte, nicht mehr abgenötigt worden sind. Barbarisch oder nicht, sie machten erheblich Wirkung. So verging bald die Angst der Planer vor einem Westwärtspreschen der Kultur. Aus der böse Traum; Adele winkte die Richtung, und einzig die war dann das Wirkliche.
    Anders heikel, nämlich im privaten Bereich, wurde es, als ich am Marstall im Zug der Halbmillion die ehemalige Dora Schoefgen sah. Zwischen unseren junonischen Töchtern kam sie junonisch daher und leuchtete mir als zeitweilige Verbindungsfrau immer noch ein. Ich hätte ihr das gern gesagt, doch wußte ich nicht, wirkte sie hier im Dienst der Kultur oder im Dienst der anderen guten Sache?
    Zudem hatten die beiden Mädchen, die als kleine Mädchen liebe Mädchen waren, eine Art, mit mir umzuspringen, die mir Unbehagen machte. Ein einziges Mal hatte ich aufgrund längeren Nichtkontakts nicht ganz sicher gewußt, welche von ihnen welche war. Infolgedessen sagten sie es mir, sobald sich Gelegenheit fand. Und machten einen Knicks dazu, als trügen sie Haarschleife und Faltenrock.
    Unschlüssig, ob ich dem Stück von der gewonnenen Freiheit eine Szene mit mir als verlorenem Vater hinzufügen solle, verharrte ich in Höhe von Gotthold Ephraim Lessings ehemaligem Hotelquartier, als ich Jochen Bantzer neben mir sagen hörte: »Du scheinst immer noch ein Auge für die Weiber zu haben – wie steht es mit dem Rest?«
    »So ein Zufall«, sagte ich. »Gibst du immer noch einer seiner Schnittlinien die Richtung vor?«
    »Dann schnitten wir beide uns im Unendlichen«, sagte er.
    »Ich höre.«
    »Du willst hören, was du längst weißt?«
    »Ich will hören, was du zu wissen meinst«, sagte ich.
    »Ich wurde eingebuchtet, weil du gesagt hast, ich lüge immer.«
    »Lauteten Anklage und Urteil so?«
    »Die Anklage lautete, ich hätte laut eigener Angabe versucht, ein Komplott mit euch zu schmieden.«
    »Hattest du es behauptet?«
    »Ja.«
    »Hattest du es versucht?«
    »Nein.«
    »War es da nicht gelogen?«
    »Ja«, sagte er und sagte die Wahrheit.
    »Bester Jochen aus Jüterbog, ich habe, als sie mir mit deinem Komplott-Märchen kamen, erklärt, sie sollen es nicht glauben, du denkst dir solche Sachen aus. Vor Gericht bist du schließlich dabeigewesen. Dein Arsch von Anwalt hätte zeigen können, daß du immer ein, sagen wir, ein Erfinder warst.«
    »Fünf Jahre Brandenburg an der Havel sind nicht erfunden, und den Arsch von Anwalt habe nicht ich mir ausgesucht«, sagte Jochen Bantzer so wild, daß uns ein paar Vorüberziehende Keine Gewalt! zuriefen. Ich signalisierte, es liege kein Grund zur Besorgnis vor, doch war ich dessen nicht sicher. Mit einiger Vorsicht antwortete ich Bantzer, es tue mir leid, wenn man ihn wegen einer ausgedachten Sache verurteilt habe.
    Das helfe ihm nicht, sagte er, aber es werde mich interessieren, daß ich insofern einen Anteil am Urteil gegen ihn habe, als es wegen Herabwürdigung unbescholtener Persönlichkeiten der Gesellschaft verschärft worden sei. »Unbescholtene Persönlichkeiten, das wart ihr«, sagte er, »Niklas, Flair, Slickmann und du.«
    »Und was war die Herabwürdigung?«
    »Ich habe gesagt, ihr hättet ein Loblied auf Stalin gesungen und müßtet nach meiner Ansicht als Stalinisten eingestuft werden.«
    »Seit wann galt denn das als Herabwürdigung? Der Ausdruck ja, aber die Haltung doch nicht! Ansonsten waren wir in diesem Zusammenhang tatsächlich Stalinisten.«
    »Jawohl, Genosse, und ich bin

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