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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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verurteilt worden! Im Zusammenhang mit der Wahrheit, wenn du verstehst.«
    Ich verstand und sprach es nicht aus. Er war für etwas verurteilt worden, das er sich angedichtet hatte. Allenfalls lag selbstgefährdendes Erfinden vor. Zum anderen hatte er uns zwar nicht Stalinisten genannt, aber wir waren es, wie gesagt, gewesen. Zu Teilen zumindest. Die Wahrheit, nichts als diese Wahrheit hatte das Urteil verschärft.
    »Kann ich etwas machen?« fragte ich und fand es dumm.
    »Gut, daß du jetzt nicht sagstest, du konntest nichts machen. Hast du?«
    »Ob ich etwas unternommen habe? Nein, nur geredet. Mit Flair und Slickmann. Und später mit Wilhelm Strickland. Ehrlich gesagt, nach allem, was ich sah, dachte ich immer, du seiest ein Glied in Ronalds Kette.«
    »Und da hast du ehrlich gedacht, soll der sich kümmern.«
    »Ja«, sagte ich, »das habe ich gedacht.«
    »Noch eine Frage: Was hat Strickland geantwortet?«
    »Wie immer: Zuerst geseufzt, dann behauptet, er kann nichts machen. Vielleicht hat er doch etwas getan.«
    »Hast du die O KARINA -Hefte geschickt?«
    »In den Strafvollzug? Niemals! Dazu reichte ich nicht aus. Ich habe es Strickland vorgetragen.«
    »Angekommen sind sie, allerdings erst bei meiner Entlassung. Jemand hatte eine Sperre veranlaßt.«
    »Also zwei Jemands, einer, der die Hefte schickte, und einer, der sie stoppte.«
    »In Alsos warst du immer gut«, sagte Bantzer. »Ich aber auch. Nach allem, was sich aufstöbern ließ, hat Strickland – die Armlänge besaß er, und bilde dir ruhig ein, dein untertäniges Gedruckse habe ihn in Gang gesetzt – mir nicht mehr ganz so freiem Mitarbeiter deine O KARINA zwecks fortschrittlicher Fortbildung zustellen lassen. Und ein anderer, der nicht so hoch stand, aber tief eingreifen konnte, sorgte, daß sie auf Halde gingen. Zu seinen Gunsten vermute ich folgendes: Er tat es, weil sie mir im Knast die Fresse eingeschlagen hätten beim leisesten Verdacht, ich werde begünstigt. – Falls du noch zu den Damen willst, die alle drei deinem Kulturbund-Dorchenvorteilhaft ähnlich sahen: Sie bogen schräg links hinter der Brücke ab. Vermutlich wollen sie zwecks Andacht und Trost beim Denkmal für Sakko und Jacketti vorbei.«
    Ich hätte fragen wollen, auf welche Weise er damals von Fedias Verschwinden habe erfahren können. Statt dessen sagte ich: »Diesen Marx-Engels-Witz erlaubte ich mir nie so gut zu finden, wie er ist. Zweier Anarchisten wegen habe ich es mir verboten. Oder wegen vieren.« – Doch Jochen Bantzer eilte schon davon. Mit großer Gebärde zu den Transparenten, die Richtung Rotes Rathaus getragen wurden, rief er mir zu, eine Zensur finde nicht statt.

37
    Als ich jetzt meine Notizen, Entwürfe und ausgearbeiteten Szenen nachlaßtauglich machte, legte ich die Bantzer-Blätter in eine andere Lade. Gewissen Institutionen, deren Interesse ich für möglich halten muß, seit ich Zeichen davon habe, soll nichts Erfreuliches verbleiben. Ein behördliches Interesse an dem, was ich für private Zwecke ordne, darf ganz unparanoid vermutet werden. Beim Gejachter in meiner Fährte traten sich der Bundesanwalt und der entlaufene Prediger im Greifereifer gegenseitig in die Knöchel. Zeitweilig waren sie nahe genug, sich mir trotz meines schlechten Gehörs durch Hecheln mitzuteilen. Ihr Atem kräuselte mein Nackenhaar und fauchte um mein Haupt bis an die Nasenlöcher. Ich weiß nicht, welcher von beiden, aber zumindest einer sollte zu einem erfrischenden Mittel greifen. Da die zwei keineswegs allein sind, versuche ich, naht sich mir unbekannte Gesellschaft, zu raten: Vaterländisch-ziviler oder vaterländisch-militärischer Nachrichtendienst mit jeweils drei Buchstaben? Nationale Grundgesetzgardisten? Banale Kriminalaufsicht? Suchen die Eurocops einen Anfangserfolg? Übt SIS an mir kontinentale Präsenz? Achten Polens Äuger, daß ich nicht verlorengehe? Hält mir Langley seine Treue? Hat die Lubjanka ein Auge auch auf angestaubte Ideengefäßen? Lebt Mielke an meiner Seitefort? Oder ist es nur die Geier-Wally vom Hessischen Rundfunk?
    Gleichviel, ich beweise ein fluchwürdiges Abenteurertum und schreibe auf, was war. Kramte in Kisten und Kasten und meinem alten Kopf, sichtete, fand Unwichtiges und Wichtiges, vernichtete Nichtiges, redigierte, kommentierte, wo nötig, bündelte mich zum Dossier und liege nunmehr weitgehend vor. Weiß mich im Dienste von Wahrheit und Wissenschaft. Bin in Litfaß’ und Niklas’ Namen dabei, Nachricht von mir zu geben. Gewiß ist

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