Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
Vom Netzwerk:
es, wenn nicht toll, dann doch tollkühn, so zu handeln. Einmal tut es gut, tollkühn zu sein. Ich schicke dies Zeug in die Welt und weiß, unter Umständen begebe ich mich nicht nur seiner, sondern auch meiner.
    Ansonsten hat es eine Erklärung von Gabriel Flair gegeben, die ich mir zu eigen mache. Er habe von allem Anbeginn bis zum Ende von allem wieder und wieder klargestellt, daß er die Fehler der Sache nicht wolle, weil er die Sache wolle. Noch einmal zum Mitschreiben: Weil für die Sache, sei er gegen deren Fehler gewesen. Wie man wisse, habe er in Theater, Film und Fernsehen verschiedene Tätigkeiten ausgeübt; deshalb sei er mit der Schwierigkeit, Freunden oder Feinden diese Position begreiflich zu machen, hinlänglich vertraut. Freunden oder Feinden – wäre er ein junger Kerl, schriebe er ein Stück dazu.
    Inzwischen, sagte ich, habe es diese Erklärung gegeben, und ich meinte damit: Gleich nach der kulturwilligen Demonstration im Neunundachtzigerjahr, die ich schon deshalb nicht legendär nennen kann, weil ich an ihr, wenn auch nur als Beobachter, teilgenommen habe.
    Um weiterhin darüber ins Bild zu setzen, wende ich mich noch einmal jenem Tableau zu, das mich inmitten einer halben oder ganzen Million aufbruchsfroher Menschen auf Ausschau nach einem schönen älteren Weib und zwei unkindlich schönen Weibern zeigt. Auf Suche nach einer Dreiheit, der ich einmal als Ehemann und Familienvater zugeordnet war. Je länger ich das Trio nicht fand, desto weniger verstand ich, warum ich unser Quartett verlassen hatte. Zusammen mit den dreien als einer von vieren könnte ich jetzt bei Karl und Fritz umTrost einkommen, anstatt als einer von einer halben oder von mir aus ganzen Million ratlos Richtung Rotes Rathaus zu schlurfen.
    Unzweifelhaft hatte meine Stimmung weniger mit verlorener Schönheit als mit der häßlichen Bantzer-Geschichte zu tun, die ohne mein Tun und Unterlassen anders verlaufen wäre. Es war nicht genug, und es war zu viel, was ich in der üblen Sache tat. Man dringt bei Untersuchern mit der Erklärung nicht durch, sie untersuchten ein Hirngespinst. Man hält kein Gericht mit der Behauptung auf, der Beschuldigte heiße Münchhausen. Man schiebt nichts auf einen Pflichtverteidiger, von dem man nicht weiß, in welchen Pflichten sonst noch er sich wähnt. Man glaubt besser nicht so sehr an juristische Rechtlichkeit, wenn man zuvörderst an Parteilichkeit glaubt.
    Doch hatte ich gerade das getan. Hatte die Frage Wer wen? für den Obersten Richtspruch genommen. Einen, der vor der Geschichte Bestand haben würde. Vor der Geschichte der Klassenkämpfe.
    Soweit meine hehre Begründung. Meine unhehre enthält einiges mehr. Sie hebt den Grundsatz nicht auf, rückt ihn aber in den Hintergrund. Im Vordergrund war ich mit anderem befaßt, hatte vollauf zu tun, rieb mich zu höheren Zwecken auf, sollte verschont sein, weil ich mich nicht schonte, war tätig geworden und wollte mich nicht lahmlegen lassen, mußte, obwohl kein Kaufmann, diverse Güter abwägen und verließ mich auf die Vermutung, daß andere zuständig seien. Und tätig werden würden.
    Ich habe mich beschissen verhalten. Habe den Ermittlern zur Entlastung des ihnen Verdächtigen korrekt gesagt, er fröne einer Leidenschaft des Erfindens. Habe dazu auch korrekt vor Gericht ausgesagt. Habe, als das Urteilswort ergangen war, korrekterweise hier und da ein Wörtchen eingelegt. Und habe mich bei alledem beschissenerweise auf Zuständige verlassen.
    Für mich gehörte Bantzer in die Zuständigkeit Slickmanns. Der Glauchauer hatte den Westberliner aus Jüterbog in unseren Kreis eingeschleppt. Nicht in die Dreier-Zelle, aber in deren Nähe. Wie Professor Niklas jederzeit Zugang zu ihr bekommenhätte, jedoch nicht suchte, war Jochen Bantzer auf diesen Zugang geradezu erpicht. Und Ronald Slickmann sagte mehrmals für den Fläming-Flüchtigen gut. Er hätte auch vor Gericht gutsagen sollen, doch fragte das Gericht ihn nicht.
    Als ich es nach der Vernehmung tat, wartete er mit einer Stufe seiner relativen Verschwiegenheit auf, die sich von einer absoluten wenig unterschied. Es konnte mich auf dem Marx-Engels-Forum, über das ich nach der verstörenden Begegnung zusammen mit Leuten ausschritt, denen Marx und Engels im Augenblick wenn nicht Sakko und Jacketti so doch Jacke wie Hose waren, nur bestärken, in Slickmann den Kommandanten eines Beschaffer-Ringes zu sehen, dem Bantzer angehört hatte.
    Was alles nicht weiter zählte, als ich meinen Vorwurf gegen

Weitere Kostenlose Bücher