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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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oder nicht, hätte ich, der ich ein Kenner unheiler Städte, unfarbiger Läufte und unvoller Körbe war, mich äußern mögen.
    Einmal so hoch zu Roß, zog es mich von der Frauen-Skulptur vorm Roten Rathaus hin zu den Frauen mit ausdrucksstarker Figur, denen ich nennenswert begegnen durfte. Zu Agnieszka, die so kleidsam Koppel trug. Zur Oberleutnantin und Kontroll-Protokollantin aus dem Kombinat für die Resortierung versprengter Güter , die zu den Impressionen Rodins wie zu Cremers Ausdruckskraft gestimmt hätte. Zu Warszawas dunkler Unbekannten, auf deren hohe Schultern ich mich vorm Marszałkowska-Kino hätte stützen mögen. Zu Lisa aus Güstrow, wegen der ich, hörend die Reden, die aus dem Bundestag dringen, freundlich an Claras Reichstag denke. Zur Sekretärin vom Ruhner Berg, die Zsa Zsa Gabor und Rita Hayworth glich und von welcher, seltsam, der Genosse Zimmetsberger-Gartensträssner so Genaues wie von Lisa wußte.
    Aber allen voran zu meiner Freundin Fedia, die Generalin hatte werden wollen und auf Horchposten bei Captain & Kabel umkommen mußte. Zu Dora Schoefgen, an die ich im Ummarsch der unmutigen Kulturschaffenden beinahe ein weiteres Mal geraten wäre. Zur unterhaltsamen Sonja Butterweck, die, wie ich vermute, nur auftrittshalber zu mir gekommenwar. Zur allerliebsten Mary M., deren allamerikanischen Spann ich, my, als sie noch Norma hieß, äußerst innig und doch in daktyloskopischem Betracht kaum abdruckstark berührte.
    Wie vieles am Tag des kulturdemokratischen Aufbruchs sah ich auch die letztgenannte Begegnung in völlig neuem Licht. Vielleicht war es ja die megavolthaltige Berührung von Normas Fuß durch meinen Finger gewesen, der ich den rätselhaften Verbleib in der Rakowiecka-Zelle verdankte. Und nicht mein Grünjünglings-Einfall, ausgerechnet einem OSS-stämmigen Mitarbeiter der US-Militärmission im polnischen Warschau vom möglichen Ausflug im Unterflurkasten seines Sattelschleppers zu schwärmen. Vielleicht ist Norma/Marilyns Begleiter, der Kerl in den zu kurzen Hosen, ob nun Senator, Spezialagent oder Hollywood-Produzent, nichts weiter als ein besitzstarker Altarsch gewesen, der mir besitzlosem Jungarsch nicht einmal den schüchternsten Papillarkontakt gönnte. Womöglich hat der Bedeutkopf einem Missionsbeamten, meinem Mr. Bonsall womöglich, bedeutet, es gebe unter den Bediensteten im Garten einen Burschen, such a skinny one, der seine Finger nicht im Zaum halten könne. Oder wie nun der kurzhosige Mann die Anzeige formuliert haben mochte. Jedenfalls könnte er sie so formuliert haben, daß sie Mr. Bonsall, der vielleicht selber einmal Senator oder Spezialagent oder Hollywood-Produzent werden wollte, amerikanischerseits zu einer Maßnahme veranlassen mußte. Zu meiner Entfernung aus dem Arbeitskommando, die mir Grund zu langjährigem Grübeln gab und, kaum hörte ich vom doppelt oder dreifach inszenierten Entweichen des Herrn Mikołajczyk, zu der Vermutung, man habe mich polnischerseits aus einem Verkehr gezogen, in den ich wissentlich nie einbezogen war.
    Mit mir als Stalins Ideenbeauftragtem kann es schon insofern nichts zu tun gehabt haben, als meine nächtliche Einkehr im Kreml samt dem Okarinasolo des Schustersohnes zu dieser Zeit noch als Zukunftsmusik gelten mußte. Allenfalls und ein allwissender und kleinlich allwaltender Stalin vorausgesetzt, könnte die Audienz bei ihm eine Folge meiner Ansicht von der Verwendbarkeit von Sattelschlepper-Unterflur-Bildkästen gewesen sein. Womöglich hatte er gerade begrübelt,wie sich dem verdammten Mikołajczyk beikommen lasse, als sein georgisches Auge auf einen Rapport aus dem verfluchten Warszawa fiel.
    Doch um statt dieser eine andere Frage zu beantworten: Es hat seine Richtigkeit mit der Nichtanwesenheit von Jennifer Król in der weiblichen Reihe, die ich vor mir sah, als ich vom Ummarsch kam. Was hilft alles Leugnen: Sie gilt mir als Schönste von allen und ist anders als andere vor allem noch da. Nicht mehr bei mir, jedoch vorhanden. Mir für immer entrückt und ungut entwichen, aber zugegen in mir, herrgottnochmal.
    Ich werde Jennifer nicht aus diesem Papier heraushalten. Doch weil sie aus ihren Gründen an der Halb- oder Ganzmillion-Manifestation nicht teilgenommen hat, ich aber deren Schilderung zu Ende bringen möchte, wird ihr Anteil zunächst abgeteilt. Zugunsten jemandes, der ebenfalls nicht teilnehmen wollte, aber dann zeitlich und örtlich sehr nahe der Prozession einen Auftritt hatte, wie er zu deren Abschluß nicht

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