Okarina: Roman (German Edition)
Falle stimmte.
Wie wir erfuhren, als Friedrich Moeller in eine halbwegs abgeteilte Büffetecke trat, einen Beistelltisch abräumte, ein Tempotaschentuch aus der Tasche zog und eine Erklärung abgab. Beim Luhe-Duell nähmen die Duellanten ein Tischchen wie dieses an dessen Schmalseiten zwischen die Zähne, streckten die Arme von sich, was nicht nur anzeige, daß sie die nicht zur Hilfe nähmen, sondern auch der archimedischen Stabilisierung diene. Dann versuchten sie, das Gegenüber samt Tisch zu sich herüberzuziehen. Selbstredend gebe es Sekundanten und einen Schiedsrichter und etliche Varianten. So könne man randvoll gefüllte Gläser auf den Tisch stellen. Ruckelten dieKombattanten und laufe etwas über, verlören beide. Da komme es darauf an, das Tischholz fest zwischen die Beißer zu nehmen. Was er gleich zeigen wolle. Sagte Friedrich Moeller und war wieder einmal Archimedes’ Kran.
Ich wollte gerade zugunsten allgemeiner Entspannung und in Anlehnung an Jochen Bantzer vorschlagen, die Duellanten sollten je eine Mundharmonika zwischen Oberzähne und Oberkante des Tisches schieben und dazu Spiel mir das Lied vom Tod intonieren – nein, ein gewisses anderes Instrument faßte ich schon seiner Rundungen wegen nicht ins Auge –, doch zum einen fiel mir ein, daß ich mit Bantzer auf keinem Anlehnfuße stand, und zum anderen füllte eine sonore Stimme den Bankettsaal mit den feierlichen Worten: »Monsieur le Président de la République Française!«
Ob man zu solchem Entree klatscht, weiß ich nicht; ob man geklatscht hat, auch nicht. Denn ich war taub vor Schreck, als ich sah, daß Friedrich Moeller steif vor Erschrecken war. Nur dürftig vom Raumteiler verdeckt, stand er reglos wie einer da, dem es beim simulierten Luhe-Duell einzig darum ging, nicht einen einzigen Tropfen vom randvoll eingeschenkten Luhe-Korn infolge unbedachter Bewegung zu verschütten.
Ich erfaßte, daß sich der Schriftkünstler und Athlet Moeller, soweit es Kiefer und Kinnlade betraf, im Augenblick weder zu einer ungewollten noch zu einer gewollten Bewegung fähig zeigte. Zum Glück hatte der verkrampfende Schreckensschlag nicht sämtliche seiner Glieder getroffen. So daß er die Arme anwinkeln und mit gestreckten Zeigefingern auf seine verknoteten Backenmuskeln deuten konnte. Der Fall war klar als ein Katastrophenfall, dem weder Frankreichs Attaché für Kultur und Urheberrecht noch ich, ob nun als kommunikationswissenschaftlich gebildeter Redaktor oder als Schweizerdegen, gewachsen sein konnten.
Wie sehr in der ausgesuchten Situation die Nervosität des ausländischen Berufsdiplomaten zu mir vaterländischem Laiendiplomaten übersprang, merkte ich an meiner in gesuchte Ausdrücke gefaßten bänglichen Binnenfrage, wie weit Monsieur le Président beim Defilee schon gekommen sei und wieviel er, umGottes willen, von unserem Tableau bemerkt haben könne. Lagen doch unsere republikanischen Kreditdinge inzwischen so prekär, daß wir den Eindruck, selbst bei allerhöchsten Gelegenheiten stünden wir rotborussischen Barbaren hinter irgendwelchen Paravents herum und bissen dabei, womöglich aus Hunger, in irgendwelche Tische, nach Möglichkeit vermeiden mußten.
Der Wasserpolizist schien ähnliche Überlegungen anzustellen. Zuerst trachtete er, Moeller samt Möbel im streng verschlossenem Mund noch weiter in die Servierecke zu drängen, doch waren der sperrigen Gruppe massive Geschirrstellagen im Wege. In der Absicht vermutlich, Herrn Moeller durch eine lebende Wand aus Polizeioffizier, Kultur-Attaché und Schweizerdegen gegen den Blick des zugereisten Präsidenten abzuschirmen, versuchte er dann, den partiell verkrampften Schein-Duellanten in die Knie und damit in Deckung zu zwingen. Doch schienen auch die Knie des armen Gewerbetreibenden von Unbeugsamkeit befallen.
Ob nun infolge des Vasallischen in mir oder einer Abart von Kaltblütigkeit – jedenfalls vermochte ich in diesem verknäuelten Zusammenhang die Lähmung zu bedenken, welche die Karrieren sowohl des Wasseroffiziers als auch des Honorarattachés befallen müßte, müßten ihre Vorgesetzten meinen, die beiden seien aufgrund ihrer politischen Widerständigkeit nicht ins Empfangs-Spalier getreten. Als treibe ihn ein ähnlicher Gedanke an, umschlang der Flußpolizist den Schriftgestalter, um ihn dann, Meißner wußte es mir mit ernüchtertem Blick über Moellers Schulter anzudeuten, gemeinsam mit mir aus dem Saal zu tragen.
Auch ich konnte, wie schon dem Attaché bewiesen, Blicke
Weitere Kostenlose Bücher