Okarina: Roman (German Edition)
besser gedacht werden kann.
Was für den Anfang des Jahres galt, galt für dessen Ende um so mehr: Trotz aller Zeichen, die es von ihr gab, war die DDR vorbei. Kaum hatte es mit ihrem tonangebenden Greis sein Bewenden, rief das Volk dessen jugendlichem Nachfolger zu, er habe ja kein Kleid auf dem Leibe. Eine Weile lebte der Staat als Behauptung seiner selbst noch fort. Enthauptet nicht gleich, aber seinen Zwecken entfremdet. Die Schildwachen abgezogen, nur die Schilder noch da. Hinsichtlich des gesellschaftlichen Transfers von Ost nach West stand außer der Ablösesumme alles fest. Was die kleine Republik bis zum Eintritt in den Schatten der größeren durchlebte, konnte wenig mehr als Emblemschwindel heißen. She went through the motions, wie die Englischen sagen.
Die Französischen entsandten ihren Präsidenten und machten uns bei Moeller & Moeller lachen. Monsieur Mitterrand, hieß es auf feierlichem Karton, bitte den Eigner der O KARINA -Druckerei wie den Verantwortlichen Redakteur des Organs für Kommunikations-Angelegenheiten Regionaler, Internationaler und Nationaler Art zum Empfang. Auch diesemOberhaupt hatte man nicht gesagt, wie die Sachen standen: Daß wir in den Status eines Programmheft-Druckers bzw. dessen Schweizerdegens zurückgefallen waren, seit uns Frau Dora Schoefgen namens des Kulturbundes das Kommanditistische kündigte. Und zugleich, soweit es bei uns vorgekommen war, das Kommunistische, da der Kulturbund noch vor den Kulturschaffenden seine demokratische Erneuerung betrieb. Herrn General Zimmetsberger erwähnte meine ehemalige Ehegattin auch bei dieser letzten Gelegenheit nicht. Er selber ließ es an der allergeringsten Geste, und wäre es ein Gartensträssner-Leserbrief gewesen, gründlich fehlen.
Friedrich Moeller sagte, für ihn sei diese Invitation ins Hotel am Dom die allererste Gelegenheit, zu Hofe zu gehen. Selbstverständlich gehe er mit Gattin. – »Selbstverständlich nicht mit Gattin«, entgegnete Friederike Moeller. Sie vertue sich nicht an solchen Tand. Vielmehr werde sie herauszufinden suchen, ob Frankreichs sensibler Aktienmarkt auf die Ostfahrt des Präsidenten reagiere. Ihres Wissens hätten die Führungskräfte von Elf Aquitaine und Aéro Spatiale eine gute Nase für orientalische Möglichkeiten. Oder wie Schnäppchen auf französisch heiße.
Ich wußte nicht einmal, was das Wort auf deutsch bedeutete, aber gerüstet für den Hofgang wußte ich mich an Friedrich Moellers Seite trefflich. Gegenüber einem Attaché schwärmte er, als wir auf dessen verspäteten Präsidenten warten mußten – es hieß, er habe sich von der Industriearchitektur in Leuna nicht losreißen können –, mit unbeholfenem deutschen Ausdruck, der mit kaum beholfeneren französischen Ausdrücken durchsetzt war, Romain Rollands Stil sei derart charakterhaltig, daß sogar die deutsche Übertragung eine Schrift mit Romain-Rolland-Zuschnitt verlange. Sein Vortrag gab dem Diplomaten hochwillkommene Gelegenheit zur Behauptung, die Zeit sei reif für ein Gespräch zwischen O KARINA und La France . Am besten eines zwischen ihm, dem für Urheberrechtsfragen zuständigen Kulturattaché, und jemandem in unserem Blatt, mit dem er den delikaten Unterschied zwischen gebührenfreien und gebührenpflichtigen Abdrucken bereden könne.
Gebührenfragen seien Sache des weiblichen Teils von Moeller & Moeller, sagte deren männlicher Teil. Im Loseblattblatt hätten ähnliche Zuständigkeiten gegolten. Doch gelte infolge Nichtfortbestands des Organs davon nichts mehr.
Es sei ihm das zu seinen ungläubigen Ohren gekommen, sagte der Attaché in einem bedauernden Ton, den seine Augen Lügen straften. Sehr schade, daß sich unser anregendes Zirkular den Loseblattblattblattschuß eingefangen habe. Ob man es sagen könne, Loseblattblattblattschuß?
»Wenn man den Mund dazu hat«, sagte Herr Moeller. Er habe den Mund dazu nicht. Er habe schon bei blattblatt mitzählen müssen. Dreimal blatt gehe erheblich über seine gedanklichen Kräfte.
»Die hier ja nicht in Rede stehen«, sagte der Attaché. In Rede stünden allenfalls ökonomische Kräfte, finanzielle, monetäre, pekuniäre. In Rede stünden einige Abdruckhonorare, wenn nicht gar -rechte, über die wir nach seinem Dafürhalten ebensogut schon einmal reden könnten, solange wir hier in Erwartung des Herrn Präsidenten herumstünden.
» Schon ist gut«, sagte Friedrich Moeller. Nach seinem Dafürhalten habe es bislang in französischen Kommunikationskreisen als
Weitere Kostenlose Bücher