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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Weltsicht-Punkt markiert, in dem ich eins war mit Jennifer Król. »Wehe, du entschuldigst dich bei denen«, sagte sie am globalen Telefon, so daß es in irgendeinem Speicher zu finden sein müßte. Da war sie schon mit den Kindern fort aus Deutschland, war schon in Cambridge, und ich lag schon in Iswalde auf der Schnauze. Da wußte ich schon, sie würde nicht wiederkommen, da war schon klar, mit ihr würden mir auch die Kinder verloren sein, da war schon alle Sicht gauckomverengt, da war die Wiederenteignung schon lange angelaufen, da war manche Ehre schon lange Treuhand-Sache, da war die eine oder andere schwarze Haut schon weiße Asche, da waren wir wieder wer, wo wir schon einmal wer gewesen waren, da hatte schon der vorher anders geteilte Himmel ein diesmal unflickbares Loch, da waren die meisten Opfer schon nicht mehr bei Atem und lösten ein Haushaltsproblem, da war schon Lärm der Ausstellung wegen, die Väter als Täter zeigte, da waren schon viele stumm – da kam vom Flusse Cam an den Grothensee in Mecklenburg-Strelitz die energische Warnung: »Wehe, du entschuldigst dich!«
    Weil sie unnötig war, machte sie mich ungehalten. Hatte mir Jennifer Król nicht zugehört oder sich nicht gemerkt, was ich, als meine Vettern mir damit kamen, zum Thema Schuld und Entschuldigung sagte? War ihr entfallen, daß ich ähnliche Vorschläge meiner Verwandten mit dem Gegenvorschlag versehen hatte, zuerst solle eine Reichsdelegation mich um Verzeihung bitten? Wegen des Auftrags an mich Achtzehnjährigen, dasReich in einem tausend Kilometer fernen Landstrich gegen dessen Bewohner zu verteidigen. Wodurch ich um vier Jahre gekommen war, die meine vier besten hätten sein können. Niemand, so hatte ich meine Sippschaft beschieden, sei jemals mit dem Bescheid an meiner Tür erschienen, er bitte um Entschuldigung, weil er aus meiner Unmündigkeit ein Mittel für seine Zwecke gemacht und mich um allerbeste Zeit gebracht habe. Niemand, so ließ ich meine Altvorderen wissen, habe auch nur halblaut um Pardon durch mich nachgesucht hinsichtlich des Mißbrauchs meiner, bei dem ich ein Mörder hatte werden müssen.
    Aber ja, aber sicher lagen die Dinge damals anders als in späteren oder heutigen Tagen. Nur werde ich mich niemals für meinen verzweifelten, ich wiederhole, verzweifelten Versuch entschuldigen, den Dingen des Reiches und der Rechtlichkeit, wie sie dem Scheine nach auf ewig unänderbar lagen, endlich und für immer zu entkommen. Die zugehörigen Zettel an meine Vetternschaft, von denen eine Abschrift nach Cambridge ging, liegen vor. Was praktisch wäre im Fall, es wähnte mich jemand mit der Bitte um Vergebung beschäftigt. Vorbeugend sei gesagt, was ich Jennifer am Telefon fragte, nämlich, ob sie meine, weil sie mir weggelaufen sei, sei auch ich mir weggelaufen. Ebenso vorbeugend seien die Zettel, die ich auf den Luftweg brachte, hier zitiert:
    »Was soll es sein? Eine Entschuldigung? Und wofür, bittesehr, soll sie sein? Und für wen? Bei wem wäre sie einzureichen? Genügt sie mündlich, oder muß es schriftlich kommen? Bedarf es einer Beglaubigung? Sind meinerseits Bedingungen erlaubt, Voraussetzungen gar? Gestattet sich, vor jede Entschuldigung von mir einen Antrag auf eine bei mir zu stellen? Darf ich fordern, was ich am meisten fordere, nämlich meinen Zusammenhang? Darf ich, um mich zu erklären, in aller Dringlichkeit erklären, ich wolle in diesen? Weil alles mit allem? Weil, wer hören will, erst hören muß? Nein, ohne Fragezeichen: Weil, wer seines hören will, zuerst meines hören muß.
    Meines geht so: Werte Angehörige, wohl wissend, daß Unwissenheit nicht vor Strafe schützt, verweise ich auf eine Unwissenheit,mit der vieles begann. Ich bekam einen Befehl, von dem ich nicht wußte, wie ihm entrinnen. Gegen den Irrtum, wieder wolle einer auf Notstand hinaus: Wozu der Befehl gedacht und wie es zu ihm gekommen war, wußte ich in groben Zügen. In unserem engeren Familienkreis, also dem, der überm nördlichen Ufer der Elbe zu Hause war, hat man mich auf etwas gebracht, das ich bereits mehrfach erwähnte und weiterhin erwähnen muß. Weil es zum Wichtigsten zählt und Zusammenhänge heißt. Man wies mich auf Zusammenhänge zwischen bisherigem Leben und künftigen Befehlen frühzeitig hin. Behutsam, damit ich meine Leute nicht für Verräter halte, verrieten sie mir, ich sei gedacht, andere Leute totzuschießen. Oder totzustechen. Oder totzubrennen. Oder totzuhungern. Andere wohl, aber Leute eben.
    Es werde

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