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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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eine Chance, als ich keine mehr sah, Jennifer könne wiederkommen. Obzwar auf gewöhnlichste Weise verlassen, wünscht man sich ungewöhnliche Gründe dafür. Weil die in unserer Entfernung nicht zu finden waren, mußten sie in unserer Annäherung liegen. Ich kam mir wer weiß wie abgebrüht vor, als ich mich wissen ließ, ich möge doch nicht glauben, die Schönste der Stadt sei zu mir, dem womöglich nicht Unschönsten, aber bestimmt Nichtschönsten der Stadt, gekrochen, weil sie infolge meiner zauberischen Persönlichkeit gar nicht anders gekonnt habe. Jedoch, wenn du nicht glauben kannst, sie habe sich einfach in dich vergafft, hältst du einmal für möglich, sie habe sich uneinfach in dich vergafft. Ich gehe nicht so weit, die Annahme, ich sei nicht meiner selbst wegen genommen worden, als Zeichen meiner Bescheidenheit zu werten. Aber als Zeichen meiner Weltläufigkeit sah ich sie schon.
    Nicht ohne Nutzen habe ich meinem Freund Ronald übergenau zugehört, als er von meiner Freundin Fedia erzählte, die beim Gardinenstecken unter den Eisernen Vorhang geriet. Was ich wohl meine, hat er gefragt, wieviel es koste, das Leben so anzuleiten, daß einer, auf den man nicht den geringsten Einfluß habe, auf eine treffe, die Einfluß auf ihn nehmen solle.
    Konnte es sein, es habe sich jemand die Aussicht etwas kosten lassen, daß ich an Jennifer Król geriete? Sollte ich ähnlich an sie geraten sein, wie Fedia von mir fortgeraten war? Hatten wir es mit historischer Gerechtigkeit zu tun? Im Weltmaßstab, den Ronald für die Fedia-Geschichte in Anspruch nahm? Lag eine Jennifer-Geschichte nach dem Muster vor: Wie deine damals uns, nun unsere diesmal dir?
    Eine Überlegung, die auch nicht von Bescheidenheit spricht. Dabei weiß ich aus der Feder allerhöchster Autoritäten: Wer aus den Maßstäben springt, gilt für verrückt. Aber: Die Polizistin Fedia ist gegen eine Bande von Kabelanzapfern ausgesandt worden; gegen wen wohl sollte die Restauratorin Jennifer ausgesandt worden sein? Gegen die Loseblattzeitschrift O KARINA und deren Verantwortlichen Redakteur? Von wem in aller Welt denn, bitte?
    Um mich zu schonen, gebe ich meiner wagemutigen Vermutungdie mildeste Fassung: Bei einer der vielen Willenskundgebungen, zu denen die Anleiter der Kulturschaffenden in den Jahrzehnten vor dem 4. November neigten, und nach einer Rede des leitenden Okarinisten sitzen von den Museums-Damen welche zusammen, denen die Versammlung eine Abwechselung vom Museum und der Redner eine Abwechselung von anderen Rednern ist.
    »Witze kann er ja«, sagt die vom Zeughaus.
    »Die Butterweck ist von ihm weg, als sie alle kannte«, sagt die vom Pergamonaltar.
    »Nascha Sonja? Die brauchte einfach einen neuen Auftritt«, sagt die vom Otto-Nagel-Haus.
    »Wer braucht den nicht?« sagt die vom Bode-Museum und will wissen, mit wem der Kommunikator jetzt kommuniziert.
    »Interesse?« fragt die vom Pergamonaltar, und die vom Bode-Museum sagt: »Huch!«
    »Und du?« fragt die vom Zeughaus die vom Märkischen Museum, »du hast mindestens zweimal gelacht. Das könntest du öfter haben.«
    »Die Art vergnügungssüchtig bin ich nicht«, sagt Jennifer Król vom Märkischen Museum.
    Für die Dauer mehrerer Willensbekundungen am Rednerpult tauschen sich die Gutachterinnen und Bewahrerinnen über diverse Vergnügensarten aus, derentwegen etliche Wechsel sich lohnten. Weil Museen zu den stilleren Teilen des Lebens zählen, sind die Damen leises Sprechen gewöhnt. Weil sie ihn in Seminarräumen und Lesesälen übten, beherrschen sie den andeutenden Austausch. Weil sie junge Frauen sind, die wissen, was sie können, überhören sie jeden Mann, der nicht einmal ordentlich reden kann. Für die Restauratorin Jennifer Król, so befinden sie, sei es an der Zeit, nach der nervenden Geschiedenheit, die nach ihrem Urteil fast schon Abgeschiedenheit war, eine neue Beziehung herzustellen. Der Kommunikationsmensch passe doch nicht schlecht. Ihm jedenfalls passe sie augenfällig und hörbar; das hätten vorhin alle gesehen und gehört.
    »Sogar beim Redenschwingen«, sagt die vom Nagel-Haus, »hatte er dich im Auge. Wollte wissen, ob du seine Witze magst.«
    »Das hat er merken können«, sagt die vom Pergamonaltar, »sie hat es ihn sehen lassen.«
    »Hören auch«, sagt die vom Bode-Museum. »Ich denke, ich höre nicht recht, wie ich sie so lachen höre.«
    »Seid ihr verrückt?« sagt Jennifer Król vom Märkischen Museum. »In zehn Jahren ist der ein Pflegefall.«
    »Aber du doch

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