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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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beiden Plätzen ausgetönt. Zudem tat Einsamkeit gut, wenn eine kluge Liese dem armen Heinerich sacht Wenn der Topf aber nun ein Loch hat pfiffelte und von seinen oder Stalins Flausen kein Sterbenswort mehr hören wollte. Den objektiven Nachteil, daß meine Arbeitshütte sich nicht nach der Sonne drehen ließ, machte der subjektive Ehrgeiz ihres Bewohners wett, keines seiner Schreiben in den jeweiligen Wind zu hängen. Wenngleich ich den Oberkommunikator wie Leitenden Redaktor und Schweizerdegen in der Hauptstadt gelassen hatte, blieb ich ein schriftlicher Mensch. Solange ich die Feder führen konnte, wollte ich mich an ihr wie am eigenen Zopfe halten. Über alles dies hinaus war auch das Tier, das in mir wuchs, in der Natur weit besser aufgehoben.
    Folglich versuchte ich, auf redlich erworbenem Grund aufrecht zu stehen. Als erstes zog mir das eine beitragspflichtige Mitgliedschaft im Zweckverband Obere Havel zu. Als zweites erschienen zweie, die sagten, sie seien Bürgerrechtler. Wissen wollten sie, ob alles legal zugegangen sei. Ich fragte zurück, wie zum Teufel sie denn zu einem Mitglied vom Zweckverband des bedeutendsten Nebenflusses der Elbe und Hauptflusses der Mark Brandenburg sprächen. Drittens kam ein Paar, das, wie ich nach einigem Drumherum erfuhr, zu den Zeugen Jehovas zählte. Ein Buch hätten sie dabei, sagte der Beredtere, aus dem sich alles über den Sinn des Lebens ersehen lasse. Sie wichen still, als ich sie wissen ließ, diese Sache hätten wir im Parteilehrjahr mehrfach durchgenommen.
    Des weiteren fanden sich Leute ein, die eine Marx-Engels-Gesamtausgabe sowie jüngste Prägungen des Bayerischen Münzkontors feilboten. Alles in mint condition , was, wie sie beteuerten, unbenutzt bedeutet. Dann ließ der Zustrom nach;man wird irgendwo eine Liste der Unzugänglichen führen. Wenn sonst nichts, beanspruche ich einen Platz auf ihr, kündigte aber dem Gros meiner Gepflogenheiten und hielt mich ans Gebotene. Wie allerdings der Landrat mich als einen Anrainer des Nationalparks Müritz mit Trachtenzeug aus schwarzem Cord und weißem Leinen bestücken wollte, zu dem ein schattender Hut plus Dreschflegel gehörten, schickte ich ihm die Montur zurück, auch wenn mir ihre Perlmuttknöpfe gefielen. Wußte ich denn, ob man mich nicht, ließe ich mich erst auf die Gewandung ein, in der Fremdenverkehrszeit zum Schaudrusch auf der Tenne heranziehen werde?
    Ansonsten begab sich mit dem Wechsel aus der Stadt aufs Land die eigentliche Wende meines Lebens. In den ersten Sommern war ich fast sonnig zu nennen. Saß an der Seeseite des Hauses auf einem in wahrhaft unentfremdeter Arbeit entstandenen Ziegelstreifen und sah zierlichen Damen zu, die ihre Böte durch die Gischt an meiner Küste trieben. Erst einmal in Gedanken, erwog ich, eins mit dem Enterhaken an den Steg zu ziehen. Doch weil leichtem Willkommen oft schwieriger Abschied folgt, setzte ich lieber die Kartoffeln auf.
    Länger hat es gedauert, bis ich Herr einer gräßlich wiederkehrenden Vorstellung war, während derer der eben noch atmende Große Grothensee von Grund auf vereist, um gleich darauf ein Katalaunisches Feld abzugeben. Wen immer ich nie mehr zu sehen wünsche, der ist entsetzlich vorhanden. Es wimmelt vor meinem Haus, als führe der Kinomeister Cimino Regie. Nur springen dabei nicht Zauberdinge wie Heaven’s Gate heraus; vielmehr öffnet sich ein Höllentor. Von der Seebucht, die zur Havelquelle bei Ankershagen und nach Penzlin hinüberweist, aus der verschilften Ecke, in der einst ein Regenbogen fußte, zieht etwas herauf, das bedrohliche Namen trägt. In lockerer Schützenkette klirren Bogenschützen heran und kramen, die Augen auf mir, in ihren Köchern. Aus dem Gebüsch am jenseitigen Rande bricht eine Bande von Picadieren hervor; irre ich nicht, bildet den Schnittpunkt ihrer Blicke der Punkt, an dem bei mir die Leber sitzt. Im Schutz der Reisigen nähern sich Kommunikationsbedürftige, um mir, auf daß ich daraus etwas mache, die Ergebnisse ihres persönlichenNachsinnens zu übergeben: ihre zum Essay herangereifte Reue; ihre Aufdeckung systembedingter Fehlerquellen, die der Entdeckung der Nilquellen gleichkommt; ihre Rezepte, welche den Sozialismus eßbar und den Kapitalismus verdaubar machen, und ihren Demokratieentwurf, dem vierzig Jahre Unterdrückung nichts von seiner Frische nahmen. Neben soviel Kostbarkeit protzt der Verband der Sachbuchverfasser auf dem Eise ab. Steht unterm Stander Wir sind das Schreibervolk! zu allem bereit.

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