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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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sich alle einen. Sie lachten, wenngleich, dies zu ihrer Ehre, ein wenig verlegen. Mehr bringe ich zu ihrer Ehre nicht zusammen. Und kann nicht zu meiner sagen, ich sei ihnen an den Hals gesprungen. Oder hätte wenigstens in einen Tisch gebissen. Ich sah, ich gehörte einem Volke zu, das Namen las, als seien sie gelbe Sterne. Einem, das dabei zu einem ehrbaren Teil in Verlegenheit geriet. Wenn auch nicht so sehr, daß es ihm die Heiterkeit verkürzte.
    Einer von den längst über und unter die Erde verteilten Schmuls – wenn das nicht von Witz zeugte. Wie es von Gewitztheit zeugte, daß ich Einspruch und Aufstand unterließ und die Heiterkeit nutzte, um an die Tür zum Probensaal zu gelangen. Ich kann nicht behaupten, ich sei mittenhindurch durch die Virtuosin geschritten. Aber mit Blicken, bitteschön, habe ich sie durch und durch durchbohrt. Dann habe ich die mächtige Klinke heruntergedrückt und der musikantischen Clique, verächtlich, versteht sich, den Rücken gekehrt. Habe unmißverständlich das Tuch zwischen diesen Leuten und mir zerschnitten, indem ich das Tor zwischen ihnen und mir, mehr als nachdrücklich, versteht sich, in seinen Angeln drehte und in die Schnapper schnappen ließ. Der Prüfung wegen nicht gerade schmetternd, des Protestes wegen aber, wer nur wollte, konnte es nicht überhören, niederschmetternd.
    Was alles unbeobachtet ging, weil ich mich in der Lärmschleuse zwischen Konzertsaal und Foyer befand, welche die fremde Posaunistin vom vertrauten Okarinisten trennte. DasGelaß war ähnlich karg ausgestattet wie das kanaanitische Jericho, bevor der Ort von Cleopatra an Herodes veräußert wurde. (Näheres dazu beim Jericho-Ausgräber und Schliemann-Schüler Ernst Sellin aus Alt Schwerin im Landkreis Müritz.) Außer einem Mülleimer, einer blechernen Müllsäule vielmehr, deren Fassungsvermögen auf öffentliche Gebäude zugeschnitten war, fand sich nichts in dem Verschlag. Was vermutlich kaum störte, solange dieser nur der Passage zwischen Saal und Vorraum diente; was mich jedoch störte, weil ich von längerem Aufenthalt ahnte und gern auf einem Stuhl gesessen hätte.
    Denn das Konzert war, wie gedämpft, aber deutlich zu vernehmen, in vollem Gang, und nicht nur des Tabus wegen, das Säle sperrt, in denen Kunst erschallt, sondern auch, damit es im Fall, die Aufführung mißrate, auf gewissen Inseln nicht heißen könne, dies habe geschehen müssen, weil der Festlandsdegen zu spät gekommen und mitten hinein in den beinahe erreichten Höhepunkt gerasselt sei, hütete ich mich, die Pforte zur Okarina so zu öffnen, wie ich die zur Posaune geschlossen hatte.
    Obzwar die Tür eine Klinke besaß, zeigte sich kein weiteres Schließzeug in sie eingelassen. So daß an der Stelle, wo Schlüsselloch und Schlüssel hätten sein können, nichts als eine Aussparung im Holze war. Ein Durchstich von Augapfelweite oder vom Umriß einer Ohrmuschelmulde. Ein Horch- und Guckloch, dessen tunnelige Tiefe mit der Dicke der Tür zusammenhing. Was optische Konsequenzen hatte. Während der Ton, den ich empfangen konnte, indem ich mein besseres Ohr an die Kerbe drückte, wenn auch nicht High Fidelity, so doch halbwegs Gesamttreue erreichte, gestattete der streng umgrenzte Sichtkanal lediglich einen Tunnelblick auf das Konzertgeschehen.
    Von meinem Neffen zeigte sich nichts weiter als manchmal sein rechter Ellenbogen. Es ging mit dem Einsatz der Okarina einher, die wohl zu hören, aber ähnlich dem Rest des Solisten, der sie an die Lippen führte, nicht zu sehen war. Das stellte bei ihrer Maulwurfsfarbe zwar keinen Verlust dar, war aber eine Einschränkung, sofern man vom Okarinenkonzert auch Augenschein wollte.
    In Augenschein sonst noch ließ sich dank des Stollens durch die Tür nur das Mittelstück von des Neffen Bratscherin nehmen sowie der äußerst sparsame Anschnitt eines Mannes, der rechts von dieser saß und in ausgewählten Augenblicken seine Nasenspitze und seinen Mund sehen ließ. Das Mädchen hatte sich, vielleicht wegen deren technischer Unverläßlichkeit, an der Tonbandmaschine postiert; der Mann, von dem ich ab und zu den Rand seines Mittelgesichts sah, schien einer der Bewerter zu sein. Deutlicher als in diesen Augenblicken nahm ich nie wahr, wie sehr ein beliebiger Teil des Menschen für sein Ganzes steht, als in den Momenten, da sich der Mund des Mannes geschmäcklerisch verzog oder seine Nase sich genießerisch kräuselte oder die Gespanntheit des Mädchentorsos weitere Spannung

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