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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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versehen und hält die Welt in der Hand. Vorausgesetzt eben, die Zeitung fehlt nicht, und morgenwarme Brötchen sind vorhanden.
    Von der Bedeutung solchen Gebäcks habe ich oft geschwärmt; hier geht es um das Journal und dessen Erlangbarkeit auf dem Lande. Die Zeitung wurde vom Supermarkt in meiner Nähe, der auch mit Schrippen handelte, nicht gehandelt. Wohl führte er einen Apostroph in seinem Namen, wo keiner mehr hingehört, aber am Pressestand, in den das E NDE längst gehörte, führte er statt dessen nicht einmal einen Apostroph.
    Andererseits wurde das Blatt für einen einzelnen Bezieher wie mich nicht ins Dorf geliefert. Die Referentin, der ich meinen Umzug meldete, seufzte, als sie die Postleitzahl hörte. Erheblich sei, sagte sie, die Zahl der Abonnenten des von mir begehrten Organs zurück und eine Art Abruck durch unser Volk gegangen. Nicht einfach seit der Wende, sondern vermutlich infolgederer.
    Gern hätte ich den Austausch mit einer Person fortgesetzt, die Sätze so zu fassen wußte, daß die Konjunktion infolgederer in ihnen vorkam. Es zeugte von muttersprachlichem Verstand wie einem für die vaterländischen Dinge. Und vom Wissen, daß sich beim Festbezug auch dieser Zeitung von deren Beschaffenheit auf ihre Bezieher schließen ließ. Doch weil unser Gespräch ein Ferngespräch zu meinen Lasten war, ließ ich das unerörtert und bat die E NDE -Betreuerin in der fernen Hauptstadt um den Namen des E NDE -Betreuers in meiner nahen Kreisstadt.
    Ganz dem technischen Zeitgeist verpflichtet, erklärte der gesuchte Mann, ein Herr Spöking, vom Speicher seines Telefons, er rufe zurück. Er tat das und beteuerte zu allem, was ich sagte, dem sprachlichen Zeitgeist getreu, es sei alles klar. Trotz meines Hinweises, ich sei altgedienter E NDE -Leser, begrüßte er mich als neuen. Den Bescheid, ich wolle lediglich in seinen Botenwirkkreis eintreten, hörte er an, bis ich ihm die Adresse nannte. Die liege außerhalb seiner Tour, sagte er; es sei ein Fall für die Post.
    Als ich auf meine Morgenordnung verwiesen hatte, rief der Austräger zuerst, es sei alles klar, dann rief er, da wisse er auch nicht. Ich wolle vor ihm nicht den Schlaumeier geben, sagte ich, aber fragen müsse ich, ob er einen Lieferpunkt in der Stadt wisse, der meinem Wohnpunkt auf dem Lande nahe liege. So daß ich das Abholen der von ihm dort hinterlegten Zeitung mit dem Einholen meiner Brötchen kombinieren könne.
    »Alles klar«, sagte Herr Spöking; er werde einen Vorschlag machen. Vorerst möge ich mich mit der regionalen Presse begnügen. Wie diese war, freute es mich, daß er mich noch desselben Tages wissen ließ, der nächste und einem Brötchenbäcker nahe Abwurfpunkt für mein E NDE -Exemplar sei das Theater. An dessen Wache liege die Drucksache ab morgen bereit.
    Das hörte ich gern, und den Brötchenbäcker überhörte ich. Der Zeitung wegen bei einer halbprivaten Polizei vorzusprechen, war eines, doch hatte Bäckerwechsel nichts von solcher Beliebigkeit. Obwohl mein rechnerisches Ich mich wissen ließ, der wochentäglich allmorgendliche Ausritt zum Theaterwerde zum maßlosen Auftrieb des Brötchen- wie Zeitungsendpreises im Haushaltsbuch führen, wehrte sich das ideelle Teil und riet mir, meine sinnlichen Bedürfnisse nicht ähnlich den geistigen einzuknebeln. Folglich fuhr ich anderntags zum Backhaus, dann zum Kunsthaus, verlängerte so meine Bahn um 50% und las über das Frühstück hinaus entsprechend länger, um dem Blatt zur Rechtfertigung meiner Mehrausgaben einen wertgemäßen Zuwachs an Informationen zu entnehmen. Was ich abbrach, als ich begriff, daß ich nur die gewinnerwirtschaftende Phase meines Daseins kürzte.
    Beim ersten Besuch war mir gewesen, als halte sich die Nachdenklichkeit der Theaterpolizei in berufsbedingten Grenzen. Der Nachtschichtler schien dem Tagschichtler gesagt zu haben, aus welchen Gründen sie mit einer zusätzlichen Zeitung beliefert würden. Gleichwohl erwies sich der Diensttuende als ein bedachter Aufpasser, dem die unternehmenswirtschaftliche Schließgesellschaftsuniform auf einem uniformvertrauten Körper saß. Unverhohlen verglich er mich mit den Fahndungsblättern in seinem Hinterkopf, als er mich nach meinem Begehr vernahm. Die Schrift rückte er heraus, nachdem ich sie genau beschrieben hatte.
    Gott ja, in derlei Diensten lebt es sich derart auf den Ernstfall zu, daß sie jeden Fall wie einen solchen behandeln. Wer weiß, wie ich mich betrüge, trüge ich ähnliches Aufsichtsgewand und

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