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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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kein Geld.
    Zurück nun aber von den allgemeinen Kostenkämpfen in den kostenträchtigen Kampf, in dem es um den Zugriff auf das E NDE ging: Es handelte sich fraglos um Frau Bäckermeisterin Curtius herself, die mir am zweiten Morgen nach dem Theatermorgen aus dem finanzökonomischen Grübeln half. Aus ihrer hochwachen Aufführung zu schließen, hatte man ihr von meinem Vortagsbesuch berichtet, und sie war in den Luftraum wie einer der Fighter aufgestiegen, deren Preis sich erheblich senkt, sobald man die Zahl der von ihnen geschützten Steuerbürger bedenkt.
    Als vermute sie mich diesen zivilisierten Stämmen nicht zugehörig und erwarte meinen Antrag auf einen Kanten Vortagsbrot, stand Frau Curtius hinter dem Tresen und ließ mich die leere kalte Weite, die kalte weite Leere, die weite leere Kälte der Geschäftsräume spüren, in denen im Augenblick nicht einmal die nackteste Zahlung herrschte, bis ich behutsam fragte, ob mein E NDE gekommen sei.
    Wenn es dort, wo Regeln gelten, die Lage bessert, daß man vor allem Begehr seinen Namen nennt, besserte es im Laden von C. F. Curtius nichts. Die Augen der Gattin des Patrons gewannen die Härte von Vierzehn-Tage-Brötchen, als sie mich den Titel der Druckschrift wiederholen ließ. Soweit ich mich auf Mienen verstehe, wollte ihre bedeuten, von allem, was bei Gutenbergs Erfindung herausgekommen sei, tauge für mich ihres Vermutens einzig eine abwaschbare Kopie der Gefängnisordnung. Doch fragte sie mit der Milde, die sich beim Umgang mit inländischen Asylanten empfiehlt, ob ich wisse, was ich sage: Das E NDE hier bei ihr? Bei Bäcker Curtius das E NDE ?
    Weil sie mich traktierte, wie ich hätte erwarten sollen, kamen Gram oder Grimm nicht auf. Nur mit mir selber und ein wenig mit Herrn Verteiler Spöking durfte ich hadern. Denn wenn nicht er, so war doch ich von Kindesbeinen vertraut mit sozialen Grabenbräuchen und auf Personen eingerichtet, die zwar des Ausbeutens willens, aber darin nicht nennenswert weit über sich selbst und die engere Familie hinausgekommen waren.
    Sie werde mir glauben, sagte ich, sobald sich das Blatt finde, wo es bereits gestern gelegen habe. Weil sich die Inhaberin unverzüglich ihrem Regal zuneigte, dachte ich, da habe meine Falle denn zugeschlagen. Die Meisterin ließ ich wissen, nach allem Anschein wie Brauchtum hätten sich die Herren Curtius und Spöking in der E NDE -Sache geeinigt, ohne sie davon in Kenntnis zu setzen. Ich bedauere diesen Rückfall in ungeschlachte Geschlechterkampfzeit und bitte nunmehr um das mir bestimmte Verwahrgut sowie zwei Curtius-Brötchen.
    Ob ich der erste war, der ihr von Curtius-Brötchen sprach, oder nicht, es besänftigte die Bäckerin. Und ich sah ein weiteres Mal, wie unzureichend ich für die beste aller derzeit erreichbarenWelten eingerichtet bin. Anstatt gemäß den geltenden Konventionen aus der Schwäche der hohen Frau einen Vorteil zu ziehen und die Grenze meiner Konzessionen bei zwei Brötchen, nahm ich die Zeitung mit Dank entgegen und forderte im Gegenzug ein halbes Vollkornbrot an.
    Wie ich zahlte, sah ich, ich hatte überzahlt. Die im Umgang mit Besitz und Besitzlosen gereifte Meisterin deutete den Kauf als Unterwerfung, und das Wechselgeld gab sie mir ohne alle milieubedingte Danksagung heraus. So gefühllos, wie es die altvorderen Analysenmeister vor 150 Jahren beschrieben haben, erfolgte der Bartausch. Unter den Geräuschen herrschte Münzklirren vor.
    Da wußte ich, auch hier würde des Abholens nicht lange sein, und nur der Umstand, daß des Austrägers Anrufbeantworter meine Anrufe lediglich entgegennahm, verhinderte den zeitigeren Abbruch meiner Geschäftsbeziehungen zur Firma Curtius. Ich mußte ihn hinauszögern, solange Herr Spöking, taub gegen mein Läuten und blind gegen die Unfreude von Frau Curtius, die Zwischenlagerung der kontaminierenden Schrift zwar weiterhin betrieb, einen geeigneten Salzstock jedoch noch nicht gefunden hatte.
    So stellte ich mich auch anderntags im Backhaus ein. Ich bekam mein Exemplar von der Bäckerin, die dabei leeren Auges war, mit einer Beeiltheit ausgefolgt, als habe eine Batterie Geigerzähler ihr das angeraten. Wie ich dies nicht übersehen konnte, gewahrte ich zugleich etwas von der mir seit meinem Umgang mit Frau Friederike Moeller vertrauten Fähigkeit gewerbetreibender Personen, über alle Übel hin und über alles Wohl hinaus Hauptsächliches herrschen zu lassen und selbst in großen Händeln auf kleinen Handel bedacht zu sein. Die Rechte der

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