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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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würde von einem unbekannten Zivilisten, der am grauen Theatermorgen vors stille Haus gefahren kam, um ein Deposit gebeten, das angeblich nichts als ein handelsübliches Nachrichtenblatt war.
    Der nächste Tag des nicht unschwierigen Zeitungsbezugs begann wie der erste. Die Brötchen geholt und vor der Theaterwache ausgestiegen. Guten Morgen gewünscht und dann das E NDE . Dieses vom selben Wachmann wie am Vortag entgegengenommen, doch obendrein die Frage, wer diese Operation angeordnet habe. Und auf meinen Bescheid den Zusteller betreffend der Bescheid des Wächters die Zeitung betreffend, ihm sei solcher Umgang mit ihr grundsätzlich verboten.
    Nicht zweimal spreche man mir von Verbot, sagte ich und läutete ein zweites Mal den Austräger an. Beziehungsweisedessen Anrufbeantworter, ein Maschinending, das hochfahrend Blechknecht zu nennen ich mir angewöhnt habe. Dessen Herr versprach, er rufe zurück, und hielt sein Versprechen. Alles klar, sagte er, als sei ihm die depositunverträgliche Sicherheitslage im Theaterbereich seit Olims Zeiten bekannt. Da werde er einen günstigeren Stafettenpunkt finden müssen. Bis dahin möge ich ruhig sein, alles sei klar.
    Was ich nach seinem Bescheid, das Presseerzeugnis liege von nun an beim niedergelassenen Bäcker Curtius, bezweifelte. Obgleich sich das E NDE den selbständigen Unternehmern geöffnet hatte, waren ihm diese nicht in seine Toleranz gefolgt. FAZ oder taz mochten von den Meistern wohlgelitten sein; es ähnlich mit dem E NDE zu halten, fiel den nunmehr freien Ständen schwer.
    Sagte ich mir, als ich auf dem Weg zu meinem von Herrn Spöking beim Bäckermeister Curtius hinterlegten E NDE war. Meine Skepsis bekräftigte sich, sobald ich sah, daß der Laden, dem präwendisch ein ausgabelukenähnliches Fenster zur Produktpräsentation genügte, inzwischen mit einer Front aus getönten Scheiben prahlte, die sich über die Länge des graphisch großzügig gestalteten Inhabernamens Carl Friedwilhelm Curtius erstreckte.
    Weil ich im Augenblick der einzige Kunde war, wirkte das Geschäft auch drinnen geräumig. Ein junges Mädchen vom Typus, der als schönes Kind durch ältere Lieder geht, zeigte sich beschäftigt, einen gestärkten und in seiner Großzügigkeit in Anspruch genommenen Schürzenlatz zu ordnen, gewahrte mich, nachdem ich mich lange genug seinem Spiegelbild hinzugefügt hatte, und fragte nach meinem Begehr. Ich erwähnte nur die Zeitung, doch war das schon zuviel. Man hatte sie zum Ausreichen von Backzeug angestellt, und Zeitungen galten ihr vermutlich als etwas, in dem, wer lesen konnte, lesen konnte, zu den jüngsten Kriminalinnovationen zähle eine, bei der ein alter Kerl in unbevölkerte Geschäftsräume trete und nach einem abwegigen Schriftstück verlange.
    Ehe sie sich der Alarmanlage zuwenden konnte, schlug ich ihr vor, dort nachzusehen, wo das regionale Blatt zu liegen pflege. Sie ging es wie eine Geometrieaufgabe an und gewanneine Position, bei der sich Ladenregale, Ladenkasse und Ladenbesucher im Auge behalten ließen. Als gesichert schien, daß mich selbst ein pantherhafter Seniorensprung nicht in Zugriffnähe zur Registrierkasse tragen könne, tat sie ihrerseits einen Sprung und sichtete eine Postablage mit der Hast, die fliegende Hast genannt wird.
    Einmal fanden ihre fahndenden Bewegungen zurück zu gemäßigter Frequenz: E NDE gefunden; alles gut. Ohn Arg nunmehr, weil ich ihr von Anbeginn wahrgesprochen hatte, übergab sie mir die hauptstädtische Gazette, dieweil ihr auch Entdeckerstolz die morgenweiße Schürze straffte. Das alles wollte Quittung, folglich erwarb ich, den Zeitungs- und Backzeugweg in eins zu legen, zwei Brötchen bei dem frisch gestärkten Mädchen, wünschte einen guten Tag, fuhr in meinen Wald und fühlte mich, wie ich das noch warme E NDE und die warmen Semmeln verschlang, am Ausgangspunkt zupackend ökonomischen Denkens.
    Wobei ich, je länger ich den Wirtschaftsteil der auf bedachten Wirtschaftswegen erlangten Zeitung studierte und die Prognosen von gestern mit den Fakten von heute verglich, ein Gefühl der Überlegenheit kaum zügeln konnte. Ich dämpfte es, indem ich mir sagte, daß in meine Bilanz als E NDE -Selbstabholer und Curtius-Kunde auch die vier Pfennige gehörten, die der Meister pro Schrippe mehr behob. Zwar lief der Ausgabenanstieg auf jährlich nicht mehr als sechsundzwanzigkommaachtacht, im Monat gar nur zweikommazweivier DM hinaus, jedoch verrechnet sich, wer damit nicht rechnet. Kleingeld ist keineswegs

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