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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Haß, der aus Hohn seine Schneide schliff. Mit blutigem Witz und belästigtem Ton, zu denen du blutige Tränen ahnst. Mit einem Deutsch, das alle Wörter kennt und kein Erbarmen.
    Nicht mir allein gefiel der gehobene Leutnant nicht. Obwohl sie tausendmal geübter als ich im Geheimen sein mußten, las ich den beiden zu unserer Erziehung abgestellten Damen eine ähnliche Ungeneigtheit ab. Was ich nicht verstand, weil sie so polnisch, jüdisch, kommunistisch wie ihr Genosse waren.
    Auch meine Landsleute aus Berlin beziehungsweise aus Börgermoor und Buchenwald, die weder jüdisch noch polnisch, wohl aber unausprügelbar kommunistisch waren, gaben von Beifall kein Zeichen. Der eine war von der Hauptstadt ausgeschickt, solche wie mich zu retten; den anderen hatte ich aus einer Klemme befreit, als er etwas übers Körperliche hinaus sprachlich darstellen sollte. Was mir Dankbarkeit eintrug und zugleich seinen Argwohn gegen solche wie mich bestärkte.
    »Aus die Ecke kommste nur, wennste Selbstkritik machst«, sagte mein Gefährte, und ich, der ich aus die Ecke raus und unbewacht auf Warschaus und alle anderen Straßen wollte, bekannte, unhistorisch argumentiert zu haben. Weil eitel darauf bedacht, den Gärtnern mit Besonderem zu kommen. Es sei überheblich gewesen, die ausgetretenen Pfade der Argumentation zu meiden. Zwar habe ich etwas im Sinn gehabt, das mir vernünftig schien, doch eben mir vor allem. Ich sähe ein: Selbst bei einer richtigen Überlegung hätte ich mich ins Übliche fügen müssen. Weil konterrevolutionäre Übel nicht zuletzt durch revolutionäre Fügsamkeit überwunden würden.
    Von revolutionärer Fügsamkeit hatte man noch nie vernommen, und hinsichtlich konterrevolutionärer Übel hielt man mich für keinen Sachverständigen. Doch wollte Frau Wanda mehr erfahren. Ich sagte, ich habe von der historischen Argumentation abgesehen, um einer politisch-moralischen Raum zu gewinnen. Wer sich auf die Slawen an der Elbe versteife, dem gerieten die Germanen an der Weichsel aus dem Blick. Mit dem Argument, diese Städte oder jene Dörfer gehörten zu Polen, weil ihre Namen auf -nitz oder -ow endeten, verwickle man sich in einen Häuserkampf, Hütte um Hütte und Zahn um Zahn, bei dem sich die Frage vergesse, was unsereins an Weichsel oder Wolga zu suchen hatte.
    »Ich dachte, das eine hätten wir euch ausgetrieben und das andere eingerieben«, sagte der Oberleutnant und hörte sich nach der Uniform an, die er nicht trug. »Jawohl«, sagte ich in militärischer Haltung. Ich hatte es nicht äffisch gemeint, hatte mich nur aufgeführt, wie mir eingebleut worden war. Doch schien der Hohe Rat anderer Meinung. So verschiedener, daßsie sich neutralisierte. Was zu einem Schweigen führte, das von einem Konsilium nicht zu erwarten stand. Weshalb mein Gefährte die Stille unterbrach. »Spinnste?« fragte er und sah mich traurig an. Er lieferte das Urstück eines Benehmens, dem ich wieder und wieder begegnete: Er hatte große Stücke auf meine Klappe gehalten, solange unser Komitee anreden mußte gegen viertausend unschuldige, ahnungslose, heimwehkranke, hungrige, verirrte, unwillige, bösartige, gutgläubige, knechtische, kaltschnäuzige, dickfällige, spitzfindige, windige und, Gott war ihr Zeuge, urbürtig antifaschistische Eingesperrte, die auf ihre sofortige Heimkehr drängten, als sei es die einzige Bedingung der ansonsten bedingungslosen Kapitulation. Er lobte mich, wenn ich Schulter an Schulter mit ihm auf pfiffige Antworten verfiel, doch behagte ihm nicht, wenn ich allzu pfiffig zu denen sprach, als deren Kumpan ich mich unlängst erst der Weichsel genähert hatte. Wie er sich aus gutem Grund nicht weit vom einfachen deutschen Satz entfernte, wußte er mit regen Brauen hunderterlei Enttäuschung zu beschreiben.
    Obwohl im Rang unter den drei polnischen Genossen wie auch dem anderen deutschen, setzte er sich an die Spitze der revolutionären Gerichtsbarkeit über mich und sprach proletarisch entschieden: »Dafür krichste ne Rüge. Minstens krichste die.«
    »Allermindestens«, sagte der Berliner Abgesandte. »Es wird ihm eine Lehre sein«, sagte die ältere polnische Abgesandte. »Sie werden daran denken, wenn Sie sich wieder einmal in Bahnen bewegen, die aus Gründen der revolutionären Fügsamkeit ausgetreten sind«, sagte die jüngere. »Sie werden mir berichten, sobald Ihnen noch eine Frage des Schweizer Residenten einfällt«, sagte der Oberleutnant. »Das versprichste«, sagte mein Urkommunist und hatte

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