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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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sorgen, daß sich die Zeit in verträgliche Teile teilte.
    Das erreicht, wer Ärger macht. Ich war nicht darauf aus, andere gegen mich einzunehmen, aber ich nahm sie, soweit sie gleich mir im verschroteten Teil von Warschau die Planierraupe ersetzten, gegen mich ein. Indem ich um Angaben ersuchte. Niemand gab Bescheid. Niemand war hier gewesen. Niemand hatte vom Gefängnis gehört, in dem ich Spießruten lief. Niemand kannte Łódź, als es Litzmannstadt hieß. Niemand ahnte, warum wir am Gleis vor Majdanek so geschlagen wurden. Niemand verstand den Aufsichtführenden, der im Ghettorest scherzte, mit der Lorenbahn sei, wenn wir sie bis zum Umschlagplatz verlängerten, der Direktanschluß nach Treblinka wieder hergestellt. – Von wegen Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen. Wir sind solchen Wirkungen an der Gęsia, das hieß Gänsestraße, folgenlos entkommen.
    Wenn man weiß, daß wir eine Linie zogen, die sich mit der von Szpilman und anderen kreuzte, taten wir gut daran, unserem Tun nicht weiter nachzudenken. Ab welcher Größe meine Nachbarn über die Wüste hätten reden wollen, der wir eine Oase abgewannen, fand ich nicht heraus. Wenn ich sagte, man habe von zeitweilig fünfhunderttausend Bewohnern gesprochen, riet man mir, meine Quellen zu prüfen. Sowie mein geometrisches Denkvermögen. Da die Juden bei so unsinnigen Zahlen übereinander hätten hausen müssen. Gestapelt. Hochgestapelt. Ausgeschlossen. Und nun Schluß damit!
    Das war am Lorengleis nicht leicht getan. Von Gęsia- und Milastraßen umgeben, kam ich, indem ich die Fähigkeit meiner Führer nicht ausschloß, jüdische Leute übereinander zu stapeln, auf glaubhafte Zahlen. Und glaubhaft wurde ebenso, man hatte mich nicht hergekarrt der Aussicht wegen, sondern sah mich im Zusammenhang mit ihr.
    Wohl infolgedessen liegt bei mir statt einer Unfähigkeit zu trauern eine Unfähigkeit, nicht zu trauern, vor. Fraglos auch ein Defekt, fraglos nicht behebbar. Meine Freunde stört, selbst wenn sie sacht mit mir verfahren, meine Ichbezogenheit. Immer muß er, sprechen sie, alles auf sich beziehen. Im Übermaß fühlt er sich von den allgemeinsten Gemeinheiten gemeint.
    Ich versuche, ihnen zu folgen und meine besonderen Beziehungen zu einem Teil der Geschichte gering zu achten. Leugnen kann ich sie nicht, aber ich will sie nicht immerfort erwähnen. Nur, was tun, wenn es geht wie neulich in London?
    Nach einem Wochenende bei den Kindern in Cambridge geriet ich vorm Abflug an einen Kiosk, an dem sirenisch geschrieben stand, hier gebe es Bücher, die es im Handel noch nicht gebe. Da hätte es starker Gefährten bedurft, mich an den Mast zu binden. Ich fand ein Pocketbook mit dem elektrifizierenden Titel Konin . Obwohl dabei, die Ichbezogenheit zu bekämpfen, betone ich: Mit dem mich elektrifizierenden Titel Konin . Kaum anzunehmen, daß noch einer auf die Berlin-Maschine wartete, der seine erste Gefängnisnacht in Konin verbrachte, nachdem er in Kolo nebenan in Gewahrsam geraten war. Also erwarb ich das Werk von Theo Richmond und las zwischen Ankauf und Abflug und Heimkunft und vielen weiteren Abenden, wo ich vor einem halben Jahrhundert gewesen bin.
    Ich komme nicht vor, doch steht in dem Buch vieles geschrieben, das mich betrifft. Bislang hatte ich vermutend erzählt, am 21. Januar 45 habe in Kolo ein Sowjet-Feldwebel meinen Augapfel mit seiner Pistolenmündung eingefaßt. Das Datum stimmt, und mit dem Feldwebel hatte ich Glück: Weil er zu einem Mechanisierten Korps gehörte, war er ein Mann der Ratio und kannte die Auge-um-Auge-Regel womöglichnicht. Wäre es nach der gegangen, hätte ich nicht davonkommen können: Denn in Kolo wurden siebenhundert Juden beim allerersten Gaswagen-Einsatz umgebracht. Beim Ersteinsatz einer mechanisierten Mordbrigade.
    Von dort nach Konin kam ich hinkenden Fußes. Wie Kolo war es zum Deutschen Reich geschlagen worden. Als Teil vom Warthe-Gau. Großdeutsch war auch der Kolo-nahe Umgang mit Konins Juden. So daß möglich ist, es habe meine Lorenspur an der Gęsia und der Smocza ihre Fußspur gekreuzt. Auf die Gefahr, besonders ichbezogen zu klingen, verneine ich die Frage, ob ich seit dem Umschlagplatz auffallend hinkenden Kopfes blieb.
    Das Konin-Buch ließ mich in alte Kladden tauchen, um zu sehen, was für diesen Bericht noch tauge. Die Einreden des letzten Jahrzehnts haben mich mißtrauisch gegen vieles gemacht, was ich sicher wußte. Geht es jedoch um die Frage, wie ich die Herrschaft bewerte, an deren Ende sich

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