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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Meldestelle; auf Schule nehmen sie nur Hiesige. Wenn einer sagt, die Partei sagt, du sollst nach Aue, sagst du, die Partei kann dich mal, du bist parteilos. Was du ja bist, solange über deinen Antrag noch nicht entschieden wurde.«
    Er half mir, den Antrag auszufüllen, schrieb einen Brief, brachte mich auf den Flur und fragte: »Hinkt Hinnerk noch?« Wie ich bejahte, schloß er die Tür, als habe das alles entschieden.
    So kam ich unter die Kader, und nichts blieb einfach. Zu Zeiten schien der Verbleib in der Partei schwieriger als ein Davongehen. Ein Von-ihr-Gehen, was ein Von-mir-Gehen gewesen wäre. Ich verstehe, daß man das kaum versteht. Nur spräche ich nicht so länglich, glaubte ich nicht, selbst Befremdliches lasse sich verständlich machen. Eine Ansicht, die vielleicht half, daß Gabriel Flair mich zum Studium der Kommunikation überreden konnte.
    Soweit sind wir noch nicht, aber jetzt schon möchte ich sagen, wie angenehm es ist, daß die Bedeutung dieses Facheslängst als ausgemacht gilt und ich nicht mehr erklären muß, warum die Litfaßsäule einen Drehzapfen des Fortschritts darstellte. Oder wieso mich entzückte, daß der Säulenpromoter und Nachrichtenprofiteur Litfaß ganz wie ich von Hause aus Drucker war. Und sich, wie ich dann nicht anders, als Herausgeber einer Zeitschrift versucht hat, die, welch weitere Seelenverwandtschaft, Der Krakehler hieß.
    Ende des Einwurfs, aber ein Endstück noch zu dem, was meine entseelte Partei betraf: Manchmal war es schwerer, in ihr zu bleiben, als in sie hineinzukommen. Teile von ihr traten zwischen sie und mich und hätten uns trennen wollen. Ich wollte mich nicht von ihr entfernen, aber dem Wunsch, wir hätten uns nie gekannt, bin ich einige Male begegnet. Es war ein Wunsch von der Natur jenes anderen: Daß man nie geboren wäre.

17
    Als ich durch die ebenso endlose wie trostlose Hauptstadt nach Hohenschönhausen fuhr, hatte ich es noch weit bis zu solchen Gedanken. Nicht einmal mit Anflügen davon wäre ich in die Schule gegangen oder in sie eingelassen worden. So aber sahen sie in mir nur einen, den der Genosse Wilhelm Strickland schickte. Aus dem Parteihaus mit einem Schreiben vom Mitglied des Parteivorstands. Was er oder es über mich zu sagen hatte, erfuhr ich in einer Villa, der es zur Villa an Putz und Farben und Möbeln fehlte. Ein Überschuß an Bewohnern machte die Mängel nicht wett.
    »Du kriegst die Kammer von der Zofe«, erklärte der Leiter, dem ich den Brief gegeben hatte. »Die Kammer, nicht die Zofe. Die wäre nicht dein Jahrgang. Hier haben Keksfabrikanten gewohnt. Keine Kanonenkönige, aber Industrielle. Erst der Gründer, dann der Erbe, dann der Erbe von dem. Der hat Zwieback für die Wehrmacht gebacken; er bäckt jetzt eine Zone weiter. Mit dir sind wir komplett. Die Kammer wirst du für die Bücher brauchen.«
    Weil ich Schulleiter so beflissen nicht kannte, fragte ich nachdem Schreiben, das mich betraf und nichts anging: Kein Wort wolle ich sagen gegen eine Zofenkammer und einen Platz mit etwas Platz für meine Bücher, aber in meiner Unterhaltung mit Genossen Strickland sei davon nicht die Rede gewesen.
    »Unterhaltung?« sagte der Leiter und schielte in den Brief in seiner Hand, »du meinst die Unterredung, die Aussprache, die der Genosse Strickland mit dir führte. Das Kadergespräch, in dessen Ergebnis der Genosse Strickland zu dem Ergebnis kam, daß du hier Parteigeschichte machst. Immerhin, die ist schließlich der Kern von der Geschichte. Da werden Bücher nötig sein.«
    Gesetzt, ich könnte meinem Leben kommandieren, rückwärts an mir vorbeizumarschieren und nur an Punkten innezuhalten, an denen ich den Mund gehalten habe, anstatt ihn eilig aufzutun – es ergäbe einen Ablauf der Ereignisse mit allzu seltener Unterbrechung. Die im vorliegenden Fall sogar auf Abbruch hätte hinauslaufen müssen. Denn spätestens, als der Leiter die Parteigeschichte zum Kern der Geschichte ernannte, hätte mir von einem Irrtum ahnen müssen.
    Obwohl zu kritischem Umgang mit mir bereit, sage ich nicht, es habe mich sein Bescheid, ich solle in der Schule Parteigeschichte machen, ins Unkritische eingelullt. Oder hätte gar nach Männer machen Geschichte und mir als einem dieser Männer geklungen. Doch gab ich eine Erklärung des Inhalts ab, die Parteigeschichte könne nicht als Kern der Geschichte bezeichnet werden, und alle bisherige Geschichte sei die Geschichte von Klassenkämpfen, und Majakowski habe nicht vom Kern, sondern vom Hirn der

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