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Oksa Pollock. Der Treubrüchige

Oksa Pollock. Der Treubrüchige

Titel: Oksa Pollock. Der Treubrüchige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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hoch.
    Oksa schlug sich die Hand vor den Mund. »Mama«, stöhnte sie leise.
    Was alle befürchtet hatten, war eingetreten: Die Von-Draußen waren nicht durch das Tor gekommen. Plötzlich bemerkte Oksa, dass alle Blicke auf einen Punkt hinter ihr gerichtet waren. Eine schreckliche Vorahnung überkam sie, und ihr wurde mit einem Mal ganz schlecht. Langsam drehte sie sich um.
    »Baba! Nein!«
    Der goldene Lichthof, den sie alle durchquert hatten, war immer noch da. Seine Umrisse waren unscharf, trotzdem erkannten alle Dragomiras Silhouette, ihre stolze Haltung, ihre zu einem Kranz um den Kopf gelegten Zöpfe. Oksa brach auf dem Sandboden zusammen, ihr war, als ob ihr Herz in tausend Teile zersprang. Der Lichthof schwankte, und es sah aus, als wollte er auf sie zukommen. Sie streckte die Hand danach aus, in der verzweifelten Hoffnung, dass alles doch noch gut würde, dass es nur ein schrecklicher Albtraum war.
    »Baba! Bleib bei uns, bitte, bitte!«, schluchzte sie.
    Doch ihre Tränen waren vergebens. Dragomira löste sich in einem goldenen Licht auf, umgeben von den Alterslosen Feen, die sie für immer in den bewegten Himmel Edefias mitnahmen.

 
    Zweiter Teil

    Edefia

Die Neue Huldvolle
    O
ksa spürte, wie jemand die Arme um ihre Schultern schlang. Es war Pavel, der sich weinend neben sie gesetzt hatte.
    »Baba … Ist sie jetzt tot?«, stammelte sie.
    »Ihre Macht als Huldvolle hat das Tor erscheinen lassen«, antwortete Pavel mit erstickter Stimme. »Sobald es sich öffnete, hat der Geist deiner Großmutter uns verlassen, um sich den Alterslosen Feen anzuschließen.«
    »Das halte ich nicht aus.«
    Erneut schüttelten sie heftige Schluchzer. Warum war das Schicksal nur so unerbittlich? Oksa rannte die Düne hinauf, dorthin, wo eben noch das Tor gewesen war. Nun war es wieder verschwunden, und der Mantel Edefias schimmerte blass, aber deutlich sichtbar über ihnen. Kaum näherte sich Oksa dieser Grenze, spürte sie einen Widerstand, der sie am Weitergehen hinderte. In ihrer Verzweiflung versuchte sie, einfach draufloszurennen, doch sie wurde so erbarmungslos zurückgeschleudert, dass sie bis zum Fuß der Düne rollte. Sie raffte sich wieder auf. Die Rette-sich-wer-kann hatten das Unglaubliche geschafft: Sie hatten ihre verlorene Welt wiedergefunden. Doch sie hatten einen furchtbaren Preis dafür bezahlt.
    Oksa ließ sich in den kalten Sand fallen. Alles tat ihr weh, jede Zelle ihres Körpers schmerzte, so sehr litt sie unter dem Verlust ihrer Großmutter. Ihre Baba, die ihr alles bedeutete … Die ihr ganzes Leben lang bei ihr gewesen war, die sie immer geleitet, sie unterstützt hatte. Die sie gelehrt hatte, mit ihren magischen Kräften umzugehen. Sie konnte doch nicht einfach so weg sein? Oksa merkte, dass jemand in ihrer Nähe war – Abakum, zusammen mit Dragomiras Plemplem. Das Gesicht des Feenmanns war grau. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, brachte jedoch kein Wort heraus. Das kleine Geschöpf mit den riesigen Augen legte seine Patschhand auf Oksas Stirn, um sie zu trösten.
    »Junge Huldvolle …«
    Auch der Plemplem war vor Kummer ganz bleich geworden.
    »Die Alte Huldvolle hat das Verlassen ihrer fleischlichen und beinernen Hülle getätigt. Fortan begegnet ihre Dienerschaft, reduziert auf den Plemplem, der vor Euch steht, der vollkommenen Zugehörigkeit zur Jungen Huldvollen.«
    Oksa sah ihn mit geröteten Augen an.
    »Du bist jetzt also … mein Plemplem.«
    Sie wandte sich ab, um nicht erneut in Tränen auszubrechen.
    »Das Herz der Neuen Huldvollen ist gespickt mit Leid, genau wie das aller anderen Rette-sich-wer-kann, der Treubrüchigen und Eurer Dienerschaft. Habt Ihr den Wunsch, einige Worte zu teilen?«
    Oksa schüttelte den Kopf.
    »Leid kann man nicht teilen«, murmelte sie und wischte sich die Tränen aus den Augen.
    »Die Anwesenheit Eurer Dienerschaft ist von Beständigkeit erfüllt, dies ist eine Zusicherung. Jeder Moment, den die Neue Huldvolle für etwas wählt, egal wofür, wird immer in Übereinstimmung mit dem sein, den Eurer plemplemscher Haus- und Hofmeister akzeptiert.«
    Ein belastendes Schweigen trat ein. Nur noch ein paar unterdrückte Schluchzer waren zu hören. Sowohl die Rette-sich-wer-kann als auch die Treubrüchigen hatten geliebte Menschen im Da-Draußen zurückgelassen. Oksa konnte sich nicht einmal an das letzte Bild von ihren Liebsten erinnern, die sie nun womöglich nie wiedersehen würde. Alles war so schnell gegangen. Und so ganz und gar verkehrt. Ein

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