Oksa Pollock. Der Treubrüchige

Titel: Oksa Pollock. Der Treubrüchige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota

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sie haben daraufhin da Vincis Ideen sorgfältig auf ihre eigene Technologie übertragen. Aber sie hatten nicht nur eine Begabung für Wissenschaft und Technik. Sie arbeiteten auch als Mineralogen und haben vor über tausendfünfhundert Jahren die Heilkunde der Silvabulaner um den wichtigen Bereich der Edelsteinmedizin erweitert. Ich weiß nicht, wie das heutzutage ist, doch vor dem Großen Chaos lebten die Handkräftigen vorwiegend in Steilfels, in Höhlenwohnungen, die in die Edelsteinfelsen gehauen waren.«
    »Das muss ja großartig gewesen sein!«
    »Das war es, ja«, bestätigte das Wackelkrakeel. »Bei den Silvabulanern war es allerdings auch sehr schön. Ihnen gelang das Wunder, ihre Behausungen direkt in den Bäumen zu bauen. Sie lebten in Luftstädten von unglaublicher Schönheit, die sich wie selbstverständlich in die Umgebung einfügten. Silvabulaner haben zum Beispiel die Fähigkeit des Gründaumens: Wenn sie sich um Pflanzen kümmern, gedeiht Gemüse, wachsen Früchte und Getreide viel besser als bei allen anderen Von-Drinnen.«
    »Ja, ich weiß«, unterbrach ihn Oksa, der die Tränen in die Augen stiegen.
    Bei den Erzählungen des Wackelkrakeels über die Silvabulaner war ihr eine Erinnerung gekommen, die sie ganz nostalgisch stimmte. Sie dachte an ihren dreizehnten Geburtstag und daran, wie ihr Vater ihr voll Stolz das French Garden präsentiert hatte, sein neues Gartenrestaurant. Damals hatte sie ihre Mutter längere Zeit nicht gesehen, und sie fehlte ihr furchtbar … genauso wie jetzt. Mit dem Unterschied, dass jetzt auch noch die Gefahr bestand, dass sie Marie nie wiedersehen würde. Sie schüttelte den Kopf, um diese schreckliche Vorstellung zu vertreiben – sie würde alles tun, damit das nicht passierte.
    »Glaubst du, dass ich die Fähigkeit des Gründaumens habe?«, fragte sie das Krakeel, um sich auf andere Gedanken zu bringen.
    Das Geschöpf wiegte sich auf seinem runden Hinterteil von rechts nach links.
    »Ja, und Ihr werdet sie auch brauchen: beim Wiederaufbau von Edefia, wenn das Gleichgewicht wiederhergestellt ist.«
    Oksa stellte sich vor, wie sie mit den Händen in der ausgelaugten Erde wühlte, um Tausende neuer Pflanzen zum Leben zu erwecken – eine echte Herausforderung für eine Magierin. Sie konnte es kaum erwarten, sich daranzumachen. Es würde ihr bestimmt großen Spaß bereiten!
    »Erzähl mir mehr über die Silvabulaner, bitte.«
    »Sie ganz allein kümmerten sich um alles, was mit Ernährung zu tun hat, aber auch um die Zucht von Blumen und Geschöpfen sowie natürlich um die Granukologie!«
    »Hmmh«, bestätigte Oksa. »Und was ist mit den Hochköpfen?«
    »Die Hochköpfe sind Städter und leben vorwiegend in der Goldenen-Mitte. Sie haben ein angeborenes Organisationstalent und ein gutes Gespür für die Anlage unterschiedlichster Systeme, sei es beim Straßen- oder Städtebau, auf dem Gebiet der Bildung oder der Justiz. Man könnte sie als die großen Organisatoren Edefias bezeichnen.«
    Oksa wandte sich der Stadt zu, die sich um die Gläserne Säule erstreckte. Vieles zeugte noch von ihrer vergangenen Größe. Die ausgewogenen Formen der Gebäude, die Materialien, die beim Bau der Stadt zum Einsatz gekommen waren, die Anlage der terrassenförmigen Gärten, die heute fast alle verdorrt waren. All das deutete auf eine ebenso glanzvolle wie längst vergangene Zeit hin.
    »Du bist ein Schatz, danke für all die Auskünfte«, beendete sie schließlich die Unterhaltung.
    Das Wackelkrakeel flatterte munter um sie herum.
    »Immer zu Diensten, Junge Huldvolle!«, krähte es.

Die außerordentliche Sitzung
    O
ksa drehte sich auf den Bauch und legte die Hände unter den Kopf. Sie hatte schreckliche Kopfschmerzen. Wenn das Chiroptergift sich nur nicht jetzt bemerkbar machte! Ocious hatte den Rette-sich-wer-kann ein paar Stunden Pause gegönnt, ehe das »Gipfeltreffen« beginnen sollte, das er einberufen hatte. Jeder seiner Gäste, wie er es nannte, ob Freund oder Feind, hatte ein eigenes Zimmer zugewiesen bekommen. Die Gläserne Säule war geräumig, alle konnten problemlos untergebracht werden. Pavels Zimmer lag direkt neben Oksas, es war kleiner als ihres, aber ebenso prachtvoll. Eine Tür verband die beiden Räume miteinander, doch wie alle anderen Ausgänge wurde sie von einem ebenso unerbittlichen wie ungewöhnlichen Wachtposten gesichert: einer großen fliegenden Raupe mit blauem Hinterleib und winzigen Härchen am ganzen Körper. Sie wurde die Hellhörige genannt. Als