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Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Titel: Oksa Pollock. Die Entschwundenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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in ihrem Innern aus und verschaffte ihr sofort Erleichterung.
    »Halt durch, Gus«, murmelte sie entschlossen. »Komm, Papa, hier lang.«
    Die beiden stiegen die prächtige Treppe in den ersten Stock hinauf und waren kurz darauf in dem berüchtigten Chemiesaal. Das Gemälde hing an der Wand, nur ein paar Schritte von ihnen entfernt. Ein eigenartiger, lebendig wirkender Schimmer ging von ihm aus. Es war zum Greifen nahe, doch in der Dunkelheit des Raumes stieß Pavel gegen einen Garderobenständer, der mit einem in dieser Stille ohrenbetäubenden Krach umfiel.
    »Ich Idiot«, fluchte Pavel.
    Er holte sein Granuk-Spuck hervor, murmelte ein paar Worte und blies hinein. Eine helles Licht kam zum Vorschein und schwebte in die Mitte des Raums. Oksa stürzte auf das Gemälde zu.
    »Wir holen dich da raus, Gus!«, flüsterte sie, nur ein paar Zentimeter von der Leinwand entfernt.
    »Vorsicht!«, rief ihr Vater und zog sie zurück. »Vergiss nicht, was Dragomira gesagt hat: Wir dürfen die Leinwand auf keinen Fall berühren! Sonst riskieren wir, auf der Stelle eingesogen zu werden.«
    Während er das sagte, holte er einen Stoffsack aus einer Tasche und breitete ihn auf einem der Tische aus. Dann fasste er das Gemälde mit größter Vorsicht am Rahmen an und nahm es von der Wand.
    »Halt den Sack auf, Oksa.«
    Das Mädchen gehorchte mit angehaltenem Atem. Pavel ließ das Gemälde hineingleiten, zog die Kordel fest zu und hängte sich den Sack samt Inhalt an einem Riemen quer über den Rücken.
    »Okay«, sagte er. »Gehen wir.«
    Kaum waren sie jedoch auf den Flur getreten, gingen dort die Deckenlichter an. Oksa biss sich auf die Lippe, um einen Aufschrei zu unterdrücken. Jemand hatte sie gehört! Und schlimmer noch: Dieser Jemand kam gerade die Treppe herauf! Der Hausmeister? Der Geist von McGraw? Wie gelähmt von diesem schaurigen Gedanken stand Oksa da und verlor kostbare Zeit, während ihr Vater instinktiv wieder in den Chemieraum zurückgewichen war. Die Schritte kamen näher, schwer und bedrohlich. Pavel packte seine Tochter am Arm, zog sie mit sich in den Chemiesaal, schob sie gegen die Wand und drückte ihr ein kleines Kügelchen in die Hand. Dann schloss er vollkommen geräuschlos die Tür hinter ihnen.
    Als sich die Türklinke mit einem Quietschen senkte, glaubte Oksa, ohnmächtig zu werden. Der Hausmeister – um keinen anderen handelte es sich nämlich – streckte den Kopf herein.
    »Ist jemand da?«, rief er.
    Oksa zuckte zusammen. Hoffentlich ließ er es dabei bewenden … Aber der Hausmeister war ein gewissenhafter Mann, der obendrein über ein sehr feines Gehör verfügte. Das Geräusch, das er vom Erdgeschoss aus gehört hatte, wo er gerade im Lager Sachen verstaute, ließ keinen Zweifel offen: Jemand war ins Schulhaus eingedrungen. Der Hausmeister war erst wenige Tage zuvor angestellt worden, um in den Ferien die Schule zu bewachen und kleinere Reparaturarbeiten durchzuführen. Dies war seine erste Nacht im Gebäude, und schon fing der Ärger an. So ein Pech aber auch! Er betätigte den Lichtschalter. Dank Pavel funktionierte keine einzige Lampe. Nur das Licht, das vom Flur hereinfiel, erhellte einen kleinen Teil des Raums.
    »Na, so was, da muss ich unbedingt die Glühbirnen auswechseln«, murmelte er und holte seine Taschenlampe hervor.
    Er ließ den Lichtkegel der Lampe im Raum kreisen. Ein großer Garderobenständer lag auf dem Boden.
    »Seltsam …«, murmelte der Hausmeister.
    Er stellte den Ständer wieder auf und machte sich daran, den gesamten Raum abzusuchen, fest entschlossen, seine Arbeit sehr gewissenhaft zu machen. Er schaute unter die Tische, in den Wandschrank, hinter die Tür. Nur nicht an die Decke, wo Oksa und Pavel wie zwei Fledermäuse hingen. Unverrichteter Dinge zog er schließlich wieder ab. Wenige Minuten später gingen sämtliche Lichter aus, und die Flure der St.-Proximus-Schule versanken wieder in Dunkelheit und Stille. Oksa löste sich mit einem eleganten Salto rückwärts von der Decke, gefolgt von ihrem Vater.
    »Echt stark, diese Saugfusor-Befähiger!«, flüsterte sie mit geröteten Wangen.
    »Das kann man wohl sagen«, erwiderte Pavel lakonisch. »Aber jetzt beeilen wir uns besser. Noch so eine Chance kriegen wir nicht.«
    Er öffnete eines der vielen mit Buntglas verzierten Fenster und schwang ein Bein über den Sims.
    »Papa!«, rief Oksa und schlug sich die Hand vor den Mund.
    »Jetzt sag bloß nicht, du hast Angst, da runterzusteigen! Der Hausmeister überwacht

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