Oksa Pollock. Die Entschwundenen
einem Blick auf seine Armbanduhr. »Wir haben die ganze Zeit über beratschlagt. In Bezug auf dich und Gus und das Gemälde. Und wir sind zu einer wichtigen Entscheidung gekommen.«
»Einer Entscheidung auf Leben und Tod«, präzisierte Tugdual mit düsterer Miene.
Pavel räusperte sich und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, als müsse er erst überlegen, was er sagen wollte. Und vor allem, wie er es sagen sollte.
»Uns allen, und damit meine ich auch mich, zerreißt es das Herz«, fing er mit Grabesstimme an.
»Du willst Gus nicht suchen gehen, stimmt’s?«, unterbrach ihn Oksa mit Tränen in den Augen.
»Was ich will, ist nicht von Belang, mein Schatz«, erwiderte ihr Vater dumpf.
»Wir werden Gus und Remineszens suchen«, verkündete Abakum. »Wir gehen damit ein enormes Risiko ein, aber wir haben keine Wahl: Wir können nicht zulassen, dass einer von uns Gefangener des Gemäldes bleibt. Entgegen Tugduals Befürchtungen«, fuhr er fort und streifte den jungen Mann mit einem strengen Blick, »sind wir stärker, als es scheinen mag. Wir mögen tiefe Falten und weiße Haare haben, aber wir haben auch einige Trümpfe in der Hand. Damit meine ich jetzt natürlich nicht dich, meine Kleine …«
»Soll das heißen, dass ich bei dem Abenteuer dabei sein darf?«, fragte Oksa gespannt.
»Das ist eine absolut verantwortungslose Entscheidung«, empörte sich Mercedica.
Ihr voluminöser Haarknoten bebte, so erregt war sie. Sie sah mit finsterem Blick zu Dragomira, die mit einem ihrer langen Zöpfe spielte und vage in die Ferne schaute. Oksa hielt die Luft an.
»Wir können gar nicht anders, als dich mitzunehmen … leider …«, bestätigte Pavel traurig.
»Und wer genau ist wir ? Etwa ihr alle?«, fragte Oksa nach.
»Nein, Oksa«, antwortete ihr Vater. »Es wäre Irrsinn, wenn wir uns alle in das Gemälde begeben würden. Zumal deine Mutter viel zu schwach ist, um sich allein zu versorgen. Dragomira, Naftali und Brune werden bei ihr bleiben, ebenso Jeanne, Zoé und Mercedica. Und weil mitunter die Stärke in der Anzahl liegt, werden Cockerell und Bodkin versuchen, noch weitere Rette-sich-wer-kann ausfindig zu machen, die vielleicht noch irgendwo auf der Welt leben und sich uns anschließen könnten. Wenn sie es denn wollen und alle damit einverstanden sind …«
»Und das Restaurant?«, fragte Oksa.
Ein Anflug von Bitterkeit trat in Pavels Blick.
»Jeanne wird sich während unserer Abwesenheit darum kümmern.«
»Heißt das, ich komme mit euch? Ganz sicher?«, hakte Oksa nach.
»Ich sage noch einmal klipp und klar, dass ich strikt gegen diese unbesonnene Entscheidung bin, Oksa in das Gemälde mitzunehmen!«, rief Mercedica in höchst verärgertem Ton. »Anscheinend vergesst ihr alle, dass sie die Junge Huldvolle ist! Das ist doch Wahnsinn, sie diesem Risiko auszusetzen … uns diesem Risiko auszusetzen! Ich darf euch nochmals daran erinnern, dass sie als Einzige in der Lage ist, das Tor für unsere Rückkehr nach Edefia zu öffnen.«
»Wie gesagt«, fuhr Pavel, Mercedicas Einwände ignorierend, fort, »ist unser Beschluss nahezu einstimmig. Leomido, Abakum, Pierre, Oksa und ich werden uns in das Gemälde begeben, um Gus und Remineszens zu befreien.«
Oksa blieb vor Staunen der Mund offen stehen. Sie brachte kein Wort heraus. Das war alles so unwirklich! Sie wusste selbst nicht mehr, was sie dazu sagen sollte, so überwältigt war sie von ihren widersprüchlichen Gefühlen, einer Mischung aus Furcht, Erregung und Ungeduld. Ihr Blick begegnete dem von Zoé: Ihre Freundin wirkte traurig, brachte aber dennoch ein mattes Lächeln zustande.
»Du hast noch jemanden vergessen«, schaltete sich Tugdual ungestüm ein.
»Oh, entschuldige, Tugdual«, murmelte Pavel. »Auch Tugdual kommt mit uns«, fügte er, an seine Tochter gewandt, hinzu.
»Wow!«, rutschte es Oksa heraus.
Im nächsten Moment hätte sie sich für diese Äußerung am liebsten geohrfeigt, so idiotisch kam sie sich vor, und das machte sie stinkwütend. Trotzdem war sie froh, dass Tugdual sie begleiten würde.
»Ich bin der treue Diener unserer Sehr Jungen Huldvollen«, verkündete er ernst, und Oksa errötete bis unter die Haarwurzeln. »Denk immer daran«, fuhr Tugdual fort, »für dich bin ich zu allem bereit.«
Das alles entscheidende Argument
P
avel lag wie versteinert auf seinem Bett – doch in ihm tobte ein wahrer Orkan von Gefühlen und riss alles mit sich fort. Sein Blick fixierte das Spiel der nächtlichen Schatten an der
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