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Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Titel: Oksa Pollock. Die Entschwundenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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besiegelte damit ihre alte Verschworenheit. Der Junge senkte verlegen den Kopf. Eine lange Haarsträhne fiel ihm ins Gesicht. Er strich sie sich mit der Hand nach hinten und rief, um seine Verlegenheit zu verbergen, mit ungewöhnlich hoher Stimme: »Seht mal!«
    Abakum und Oksa drehten sich um: Leomido und Remineszens standen etwas abseits und schienen in ein Gespräch vertieft. Oksas Großonkel wirkte sehr bewegt, und seine Augen hingen die ganze Zeit an den Lippen der alten Dame.
    »Stellt euch das mal vor!«, rief Gus wieder in normalem Ton. »Siebenundfünfzig Jahre lang haben die beiden sich nicht mehr gesehen!«
    »Und sie ist immer noch genauso schön«, sagte Abakum versonnen.
    »Diese Frau ist wirklich faszinierend«, kam es von Tugdual, der nun ebenfalls zu ihnen getreten war. »Tochter von Ocious, Zwillingsschwester von Orthon und Nachfahrin des genialen Temistokeles, der die menschliche Metamorphose erfunden hat, wisst ihr noch?«
    »Und das findest du faszinierend?«, fragte Gus.
    »Klar!«, gab Tugdual zurück. »Überlegt euch doch mal, welch enorme Kräfte sich in ihr bündeln! Ein bisschen wie in den Huldvollen, wenn ich das sagen darf, meine verehrte Kleine Huldvolle. Und dann hat sie auch noch die Liebsten-Entfremdung über sich ergehen lassen müssen! Ein Durchscheinender hat sich ihr genähert und ihre ganze Liebe eingesogen, ist das nicht Wahnsinn? Wie groß ist wohl die Wahrscheinlichkeit, dass ihr in eurem Leben noch mal so jemandem begegnet? Habt ihr euch das schon mal überlegt?«
    »Nein, haben wir nicht. Weißt du, es hat nicht jeder so seltsame Gedanken wie du«, stichelte Gus. »Kommt, gehen wir lieber zu ihnen, anstatt uns diesen Quatsch anzuhören.«
    Tugdual zuckte unbeeindruckt mit den Schultern und grinste wie immer ironisch.
    »Müsst ihr euch eigentlich ständig streiten?«, fragte Oksa grummelnd und warf ihm einen genervten Blick zu.
    »Wir streiten uns doch gar nicht!«, verteidigte sich Tugdual. »Ich würde sagen, wir pflegen einen sehr offenen und direkten Umgangston.«
    »Allerdings!«, sagte Oksa. »Offen und direkt wie zwei Jungen, die sich absolut nicht ausstehen können und sich deshalb aus Prinzip ständig widersprechen müssen.«
    »Oh, aber ich kann doch nichts dafür, dass dein Freund es mit meiner Geistesgegenwart nicht aufnehmen kann«, spöttelte Tugdual.
    »Du bist unmöglich!«, zischte Oksa.
    »Aber genau das magst du so an mir, stimmt’s?«, konterte er frech.
    »Jetzt sei endlich still!«, schimpfte Oksa. »Du redest zu viel.«
    Tugdual lachte aus vollem Hals, woraufhin sich die anderen, die im Kreis um Leomido und Remineszens herumstanden, mit fragenden Blicken zu ihnen umdrehten. Gus schien vor Wut zu kochen.
    »Nun, was gibt es so Amüsantes?«, fragte Remineszens lächelnd.
    »Ach, weißt du, Tugdual hält sich für sehr witzig. Das Problem ist nur, dass er selbst der Einzige ist, der über seine Witze lacht«, sagte Oksa, um sich an ihm zu rächen.
    »Ich bin so glücklich, ihr Lieben, wenn ihr wüsstet!«, fuhr Remineszens fort, ohne auf Oksas Stichelei einzugehen. »Eure Bekanntschaft zu machen, und vor allem meine alten Freunde wiederzusehen, was ich nicht mehr zu hoffen gewagt hatte …«
    »Kann ich dich etwas fragen?«, unterbrach Oksa sie etwas unvermittelt. »Äh … es ist allerdings eine etwas indiskrete Frage …«
    »… die dir aber auf der Zunge brennt, nicht wahr?«, vervollständigte Remineszens mit einem Augenzwinkern.
    »Genau«, gab Oksa mit brennenden Wangen zu.
    »Ich höre.«
    »Also, ich würde gern wissen, warum du nicht nach Leomido gesucht hast, nachdem du im Da-Draußen angekommen warst.«
    Remineszens senkte betroffen den Kopf.
    »Mir war klar, dass einer von euch mir irgendwann diese Frage stellen würde. Das ist eine lange Geschichte.«
    »Wir haben es nicht eilig«, sagte Abakum sanft.
    Remineszens sah ihn traurig an und strich mit einer langsamen Geste ihr Kleid glatt. Den Blick in die Ferne gerichtet, fing sie an zu erzählen: »Um auf deine Frage zu antworten, Oksa, muss ich sehr weit zurückgehen. Mehrere Jahrzehnte, bis in die Zeit, als dein Großonkel Leomido und ich sehr verliebt ineinander waren. Unsere Familien hatten sich immer sehr nahegestanden. Mein Zwillingsbruder Orthon, Leomido und ich, wir sind praktisch zusammen in der Gläsernen Säule aufgewachsen, unter den aufmerksamen Augen Maloranes und ihres Ersten Dieners, meines Vaters Ocious. Als ich zu einem jungen Mädchen heranreifte, merkte ich, dass

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