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Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Titel: Oksa Pollock. Die Entschwundenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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sah, flog er zu ihr. Oksa wich instinktiv zurück.
    »Entschuldige, Kundschafter! Aber ich bin nicht gerade ein Fan von Insekten«, erklärte sie ihm.
    »Die Junge Huldvolle will sagen, dass ihr vor Insekten graust!«, mischte sich die Sensibylle in weit weniger diplomatischem Ton ein. »Sie findet sie widerlich! Ekelhaft, abstoßend, grässlich, schauderhaft …«
    »Das reicht, Sensibylle!«, fiel Tugdual ihr ins Wort. »Wir haben schon verstanden, dass du über einen ziemlich großen Wortschatz verfügst.«
    »Oh, was redet Ihr denn so gescheit daher! Seht lieber zu, dass wir einen Ausweg aus diesem widerwärtigen kalten Loch finden. Die Temperatur ist um mehr als zwanzig Grad gefallen! Man kommt sich vor wie in einer Kühltruhe!«
    Oksa blickte sich um. In der Höhle war es dunkel. Nur die Phosphorille, die Abakum aus seinem Granuk-Spuck hervorgeholt hatte, spendete mit ihren Tentakeln Licht. Die felsigen Höhlenwände wölbten sich etwa zwei Meter über ihnen zu einer ungleichmäßig geformten Decke. Im Höhleneingang waberte die Leere bedrohlich hin und her, als ob sie dort Wache halten würde. Gegenüber dem Eingang führte ein winziger Tunnel ins Ungewisse.
    »Warm ist es hier wirklich nicht«, pflichtete Oksa der Sensibylle bei, die sich wieder unter Abakums Jacke verkrochen hatte. »Wo sind wir, Kundschafter?«
    Der schwarze Schmetterling flatterte vor Oksa auf der Stelle und antwortete mit seiner erstaunlich tiefen Stimme: »Wir befinden uns im Medius, Junge Huldvolle.«
    »Was ist das?«
    »Bevor Ihr zum Heiligtum des Herz-Erforschs vordringt, müsst Ihr mehrere Schichten durchqueren. Ich habe gehört, wie der Freund der Jungen Huldvollen die russischen Matroschka-Puppen erwähnte. Das Prinzip ist dasselbe. Das Herz-Erforsch ist die kleinste Puppe, die sich im Herzen aller anderen befindet.«
    »Und … gibt es viele solcher Puppen?«, fragte Oksa gespannt.
    »Ich kann es Euch nicht sagen, Junge Huldvolle«, erwiderte der flatternde Schmetterling. »Ihr habt bereits zwei Schichten durchquert: den Wald-ohne-Wiederkehr und die wogenden Hügel. Zwischen jeder Schicht befindet sich eine Übergangszone wie diese Höhle hier: Das ist der Medius, der uns zur nächsten Schicht führt. Dabei sind jedes Mal Prüfungen zu bestehen.«
    »Was für Prüfungen?«, fragte Oksa ungeduldig.
    »Die Prüfungen haben zum Ziel, das Individuum zu vervollkommnen. Das ist der ursprüngliche Zweck der Eingemäldung. Sie dienen dazu, den, der eingemäldet wurde, zu einem besseren Menschen zu machen. Leider ist das Herz-Erforsch aber ins Koma gefallen, und deshalb können die Prüfungen, fürchte ich, ziemlich willkürlich ausfallen. Der Treubrüchige Orthon hat die Leinwand beim Großen Chaos an sich gebracht. Er hat der Leinwand seine Übeltaten gestanden und sie angehaucht. Das Herz-Erforsch hat den Atem Orthons aufgenommen. Natürlich konnte es angesichts der schlimmen Taten Orthons nur zu der Entscheidung kommen, dass er eingemäldet werden muss. Orthon hatte aber, wie Ihr alle wisst, andere Pläne und hat sich davor gehütet, den Blutstropfen abzugeben, der zu seiner Eingemäldung notwendig gewesen wäre. Und dann hat er dafür gesorgt, dass seine Zwillingsschwester Remineszens an seiner Stelle eingemäldet wurde.«
    Leomido fuhr sich stöhnend mit den Händen über das Gesicht. Remineszens, die neben ihm stand, legte ihm eine Hand auf die Schulter und vervollständigte die Ausführungen des Schmetterlings: »Als Orthon klar wurde, dass ich in ihm nur noch einen skrupellosen Wahnsinnigen sah und mich mit dem Gedanken trug, seine monströsen Absichten zu enthüllen, wurde ich in seinen Augen zu einer Gefahr. Vergessen waren die geschwisterlichen Bande! Vergessen jeder Respekt für die eigenen Angehörigen! Dann ging alles sehr schnell. Wir stritten uns wieder einmal, als er plötzlich die Leinwand ausrollte und sie anhauchte. Sofort fing sie an, sich dunkel zu färben wie ein Himmel, an dem sich ein Unwetter zusammenbraut. Es war unglaublich. Ich wusste nicht, was mein Bruder vorhatte. Als er dann aber ein Messer in die Hand nahm und mir befahl, mich zu fügen, fielen mir all die Geschichten wieder ein, die ich als Kind in Edefia über die Eingemäldung gehört hatte. Ich verstand, was er plante, und versuchte zu fliehen. Aber er stoppte mich mit einem Arboreszens-Granuk, und so war ich gefesselt. Orthon griff nach meiner Hand und schnitt mir in die Handfläche. Ich wehrte mich, doch gegen das Arboreszens konnte ich nichts

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