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Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Titel: Oksa Pollock. Die Entschwundenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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Oksa so offen aussprach, was er selbst jahrelang verborgen gehalten hatte. Dann seufzte er tief.
    »Mein Tintendrache war immer schon da«, sagte er matt und zog die Knie fester an sich. »All die Jahre habe ich ihn in mir erstickt, und so hat er sich tief in mir verkrochen und dort ausgeharrt. Doch jetzt kann ich ihn nicht mehr unterdrücken.«
    »Aber … ist es denn ein echter Drache?«, wollte Oksa wissen.
    »Du hast ihn doch mit eigenen Augen gesehen«, antwortete ihr Vater. »Als ich in China war, hat mich, wie du weißt, ein alter Mönch in die Geheimnisse der Kampfkunst eingeweiht. Mehrere Monate habe ich bei ihm in den Bergen gelebt. Er war mein Meister und ich sein Schüler. Meine Herkunft und meine regelmäßig auftretenden Schmerzen sind ihm nicht entgangen, und mir war klar, dass er vom ersten Tag an Bescheid wusste. Ich habe mich sogar lange Zeit gefragt, ob er selbst ein Rette-sich-wer-kann ist, doch es war nicht notwendig, darüber zu sprechen, das hätte nichts zwischen uns geändert. Nach vielen Wochen, in denen ich nicht eine einzige Antwort auf die Fragen finden konnte, die ich mir stellte, schlug der alte Mönch vor, mir eine Tätowierung zu machen. Ich war überrascht und gab offen zu, dass ich keine besondere Lust darauf hatte. Natürlich ging es dabei um eine besondere Tätowierung, da mein Meister großes magisches Können besaß. Die Tätowierung sollte dazu dienen, dass meine Qualen sich konzentrierten und sich auf eine Art und Weise weiterentwickeln konnten, die weniger schmerzhaft für mich war. Bis dahin waren sie wahllos durch meinen Körper geströmt und hatten mich innerlich vergiftet. Du kannst es dir vorstellen wie einen Versuch, meine dunkelsten Seiten zu bändigen: einen Weg, die Selbstkontrolle zu behalten, indem man die Schmerzen mit der eigenen Willenskraft verbindet und in eine neue Energie verwandelt. Du, meine Kleine, bist viel stärker, als ich es damals war: Du beherrschst deine Kräfte …«
    »Äh … nicht immer!«, unterbrach ihn Oksa, der dabei so manche Episode einfiel.
    »Aber vor allem fürchtest du sie nicht«, fuhr Pavel fort, »so wie ich damals, als junger Mann. Es macht dir keine Angst, von den Rette-sich-wer-kann abzustammen. Du weißt ja, für mich ist das eher ein Problem als … wie soll ich sagen … als eine Motivation.«
    Es war nicht das erste Mal, dass Pavels Seelenqualen zur Sprache kamen, doch diesmal konnte sich Oksa die Frage nicht verkneifen. »Hast du Angst vor dem, was du bist?«
    »Ich weiß nicht, ob ich schon so weit bin, darüber sprechen zu können«, erwiderte ihr Vater verlegen. »Sagen wir mal, ich habe immer weniger Angst davor. Dass sich mein Tintendrache nun zeigt, ist ein Beweis dafür.«
    »Das heißt aber auch, dass aus dir ein sehr weiser Mann wird, Papa!«, bemerkte Oksa und stupste ihren Vater mit dem Ellbogen an.
    »Ein Monster, ja«, gab Pavel mit einem bitteren Lacher zurück.
    »Ach, hör auf! Ich bin jedenfalls sehr stolz darauf, so einen Vater zu haben!«, rief Oksa. »Stell dir das mal vor: ›Oh ja, mein Vater ist ein direkter Nachkomme der Huldvollen von Edefia und in ihm wohnt ein Drache … Ihr solltet mal seine o-ber-gei-len Flügel sehen! Ja, ja, ich weiß schon, das ist ziemlich außergewöhnlich …‹« Dazu setzte sie eine gespielt hochmütige Miene auf.
    Diesmal musste Pavel laut lachen. Er fuhr seiner Tochter durch die zerzausten Haare. Oksa war heilfroh, dass er sich endlich ein wenig entspannte.
    »Es stimmt natürlich, dass ich einer Tochter wie dir schon ein bisschen was bieten muss«, sagte er mit einem Augenzwinkern. »Mittelmäßigkeit kann ich mir da gar nicht erlauben, sonst laufe ich ja Gefahr, dass mich meine eigene Tochter links liegen lässt. Also habe ich mir etwas ziemlich Spektakuläres ausgedacht, ich geb’s zu. Aber wenn man richtig Eindruck schinden will, darf man eben keine Angst haben, übers Ziel hinauszuschießen …«
    »Der schwarze Humor verweilt im Mund des Vaters der Jungen Huldvollen«, stellte die Plempline fröhlich fest.
    »Der schwarze Humor ist eine Überlebenstechnik«, präzisierte Pavel mit einem Lächeln auf den Lippen, doch sein Blick war ernst. »Jedem das Seine …«
    Damit erhob er sich, und Oksa verstand, dass er nicht länger über seinen rätselhaften Tintendrachen reden wollte. Zusammen gingen sie zu den anderen zurück, die immer noch in der Mitte der Höhle standen. Der schwarze Schmetterling flatterte über ihren Köpfen. Sobald er Oksa herankommen

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