Oksa Pollock. Die Entschwundenen
hätte bemerken müssen. Naftali und Brune stürzten sofort zum Haus. Die Eingangstür stand offen. Auch das war vollkommen ungewöhnlich, zumal in der momentanen Situation.
»Die schwedischen Freunde der Alten Huldvollen praktizieren eine ersehnte Ankunft!«, rief ihnen der Plemplem entgegen, während er die Treppe heruntergeeilt kam. »Die Ungeduld und die Aufregung haben die Invasion der Dienerschaft der Alten Huldvollen betrieben.«
»Was ist denn passiert, lieber Plemplem?«, fragte Naftali erschrocken. »Du bist ja vollkommen außer dir.«
Brune hob das kleine Geschöpf auf ihren Arm. Der Plemplem zitterte am ganzen Leib und klapperte mit den Zähnen. Er schlang die Arme um den Hals der alten Dame und klammerte sich an sie.
»Die Treubrüchigen haben den Einzug des Schreckens in diesem Haus betrieben!«, klagte er mit seiner Piepsstimme. »Sie haben die Katastrophe in der Wohnung der Alten Huldvollen angerichtet. Ihre Absicht, die Leinwand in ihren Besitz zu bringen, ist vereitelt worden, da die Alte Huldvolle von Misstrauen überfüllt war und die Flucht organisiert hatte.«
»Dragomira, Dragomira! Was hast du getan?«, murmelte Naftali vor sich hin.
»Das Versteck der Leinwand besitzt die absolute Sicherheit, da allein die Alte Huldvolle die Identität des Hüters kennt. Aber die Tragödie dieser Hausgemeinschaft ist komplett, uhuhuh …«, schluchzte der Plemplem. »Die Treubrüchigen haben die Grausamkeit gezeigt, die ihr Herz erstickt. Die Alte Huldvolle ist der Verletzung begegnet, die schwedischen Freunde müssen zur Versorgung nach oben kommen.«
Naftali stürmte sogleich die Treppe zur oberen Wohnung hinauf. Brune folgte ihm etwas langsamer mit dem Plemplem auf dem Arm.
»Und Marie?«, fragte sie das Geschöpf.
Der Plemplem brach in Tränen aus und verbarg das Gesicht an Brunes Hals.
»Die Mutter der Jungen Huldvollen ist dem Unglück begegnet …«
»Was?«, rief Brune erschrocken aus. »Sie ist doch wohl nicht … tot ?«
»Nein!«, antwortete der Plemplem. »Die Mutter der Jungen Huldvollen hat nicht den Tod erfahren. Aber die Treubrüchigen haben die Entführung praktiziert. Sie haben die Mutter der Jungen Huldvollen mit sich fortgenommen.«
Brune entfuhr ein Entsetzensschrei.
»Das ist nicht wahr! Sag, dass das nicht wahr ist, Plemplem!«, rief sie.
»Mein Mund überbringt nur die Wahrheit. Wenn die Alte Huldvolle die Kenntnis des Geschehens erhält, besteht die Gefahr, dass ihr Herz zu schlagen aufhört. Uhuhuhuh … Das Unglück begräbt die Rette-sich-wer-kann. Dank der Hilfe der Pizzikins konnte der Plemplem, Hüter des Absoluten Wegweisers, die erfolgreiche Flucht bewerkstelligen, er ist noch einmal schrecklich entkommen …«
»Glücklich! Glücklich entkommen«, zirpten die kleinen goldenen Vögelchen und flogen um Brune herum.
Das Wohnzimmer in Dragomiras Wohnung bot ein Bild der Verwüstung: Überall lagen Glassplitter und Teile von zerbrochenen Möbeln herum. Die Treubrüchigen hatten bei ihrer Durchsuchung ganze Arbeit geleistet: Kein Gegenstand war heil geblieben, kein Sessel unversehrt. Dragomira lag auf einem aufgeschlitzten Sofa. Um ihren Hals lief ein hässlicher roter Bluterguss, ihr Gesicht war voller roter und blauer Flecken, und ein Auge war zugeschwollen. Aber am schlimmsten war die Verzweiflung in ihrem Blick. Brune eilte mit fassungsloser Miene zu ihr.
»Brune«, murmelte die Baba Pollock und hob matt eine Hand. »Mercedica … Es war Mercedica!«
Ungläubig blickte Brune von Dragomira zu Naftali. Was wollte Dragomira damit sagen? Mercedica konnte doch nicht der Ursprung dieses ganzen Chaos sein?! Doch Naftali nickte langsam.
»Mercedica de la Fuente ist eine Angehörige des Treubruchs!«, bestätigte auch der Plemplem. »Im Bund mit ihrer eigenen Nachkommenschaft namens Catarina und der des Treubrüchigen Orthon namens Gregor hat sie den Angriff auf die Alte Huldvolle betrieben und den Diebstahl des Medaillons und der Goranov begangen!«
Naftali vergrub das Gesicht in den Händen, während sich Brune auf einen wackeligen Stuhl sinken ließ.
»Diese Dreckskerle«, knurrte Naftali. »Sie haben ihren Angriff gut vorbereitet.«
»Wäre ich doch nur wachsamer gewesen!«, klagte Dragomira. »Mercedica war immer schon sehr streng und oft so starr in ihren Überzeugungen. In den letzten Monaten hatte ich sogar den Eindruck, dass sie noch härter wurde. Sie wirkte angespannt, und bei mehreren Anlässen legte sie eine Schroffheit an den Tag, die ich so
Weitere Kostenlose Bücher