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Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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geküsst.
    Nein, das stimmte nicht ganz. Denn wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass die Initiative zum ersten Mal seit ihrer Rückkehr auch von ihr ausgegangen war. Dieser Kuss war anders gewesen als die bisherigen. Er war nicht einer spontanen Regung entsprungen wie der erste oder das Ergebnis eines plötzlichen Anflugs von Kühnheit gewesen wie die folgenden. Diesen Kuss hatten sie beide gewollt. Und das hatte ihm eine Süße und Intensität verliehen, von denen ihr immer noch ganz schwindlig war.
    Nach dem Kuss waren ihre Hände mutiger geworden, sie hatten Zärtlichkeiten ausgetauscht, nackte Haut berührt. So weit hatte sich bisher keiner von ihnen vorgewagt.
    Oksa machte sich nichts vor: Zoés ernüchternde Worte hatten ihren Teil dazu beigetragen, dass sie sich so zu Gus hingezogen fühlte. Aber entscheidend waren sie nicht gewesen.
    Ja, die Sache mit Tugdual quälte sie sehr. Denn er nahm noch immer einen riesengroßen Platz in ihrem Herzen ein.
    Das Gefühl, das sie für Gus hegte, fühlte sich stabiler und – zu ihrer großen Überraschung – auch tiefer an. Sie zweifelte nicht mehr daran. Vielleicht hatte sie es auch immer schon gewusst.
    By the way I tried to say
    I’d be there … waiting for …
    Gus hatte diese Zeilen fast den ganzen Abend vor sich hin gesungen. Oksa hatte erst nicht darauf geachtet, sondern sich nur von dem ständigen Summen genervt gefühlt. Dann hatte sie genauer hingehört und überrascht festgestellt, dass sie wie eine geheime Botschaft klangen. Der Gedanke hatte sie amüsiert – Gus war ja sonst nicht so wagemutig. Als sie dann Niall ertappte, wie er Gus angrinste und dabei die Augen in ihre Richtung verdrehte, hatte sie die Gelegenheit beim Schopf ergriffen.
    »Was brütet ihr zwei da wieder aus?«
    »Hab ich nicht gesagt, dass sie total paranoid ist?«, hatte Gus seinem Kumpel zugeraunt.
    »Paranoid? Ich?«, hatte Oksa empört ausgerufen, sich dabei aber das Lachen verkneifen müssen. »Na warte, das wollen wir doch gleich mal unter vier Augen klären.«
    Sie war aufgesprungen, hatte ihn am Arm gepackt und hinter sich her zum Silo gezogen, mitten unter die üppig blühenden Pflanzen. Gus hatte sich kein bisschen gewehrt. Nur die Centaurea war Zeugin dieses zärtlichen Duells gewesen.

    Oksa seufzte und blickte gedankenverloren zur Glaskuppel des Silos hinauf. Alle Lampen im Inneren waren ausgeschaltet, von draußen fiel Mondlicht herein. Und ließ keinen Zweifel an dem aufkommen, was sie sah.
    Jemand lag auf dem Dach des Silos.
    Reglos, mit ausgestreckten Armen und Beinen.
    Wie vom Himmel gefallen.
    Oksa hielt den Atem an und stieg, ohne die Gestalt auf dem Glasdach aus den Augen zu lassen, die Stufen des Zwischengeschosses hinunter. Die Gestalt bewegte sich nicht, sie lag da wie ein mit dem Glas verschmolzenes Kreuz. Oksa vertikalierte senkrecht nach oben, bis sie nur noch das Glasdach von dem rätselhaften Besucher trennte. Ohne zu verstehen, weshalb sie das tat, schmiegte sie sich in genau derselben Position von innen an die Kuppel. Eingehüllt vom Schein des Mondes hatte sie dabei das irritierende Gefühl, ihrem eigenen Schatten zu begegnen.
    Sie hätte stundenlang so verharren können, doch ihr Gegenüber fing an, sich zu regen. Oder genauer gesagt, es fing an, in das Glas
einzudringen
.
    Nur weil das Glas sich erwärmte, merkte Oksa überhaupt, dass etwas passierte. Das Ganze ging so schnell, dass ihr keine Zeit blieb, zu reagieren. Die Gestalt presste sich bereits an sie.
    Arme und Beine umschlangen sie und nahmen sie mit Gewalt in der Luft gefangen.
    »Verdammt, Tugdual! Lass mich los!«
    Er dachte gar nicht daran, sondern hielt sie so fest, dass es ihr wehtat. Ein Schrei blieb Oksa in der Kehle stecken, während sie sich mit aller Kraft zu befreien versuchte. Doch Tugdual klebte an ihr. Blitzartig schoss ihr ein Bild durch den Kopf: Als sie zum ersten Mal versucht hatte, zur Kuppel des Silos zu vertikalieren, war sie gegen das Dach gestoßen und hatte das Bewusstsein verloren. Danach hatte Tugdual ihr eine Art Krankenbesuch abgestattet, und zwischen ihnen hatte alles seinen Anfang genommen. Und nun war er zu einem ihrer ärgsten Feinde geworden …
    Aneinanderklebend drangen sie durch das Glas, und gleich darauf fanden sie sich am kalten Nachthimmel über Abakums Anwesen wieder.
    »Jetzt lass mich endlich los!«, brüllte die Junge Huldvolle aufs Neue.
    »Oksa, es ist nicht, wie du denkst!«, keuchte Tugdual und presste sie noch fester an sich.
    Oksa

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