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Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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sammelte ihre Kräfte und antwortete ihm ohne Worte: ein Knock-Bong aus allernächster Nähe katapultierte Tugdual durch die erste Wolkenschicht. Zähneklappernd flog Oksa mehrmals über Abakums Anwesen hinweg. Ihre Beine bebten, und ihr Atem ging stoßweise.
    »Es ist nicht, wie du denkst«, hatte Tugdual gesagt? Das konnte man wohl sagen. Es war nämlich viel schlimmer! Sie suchte den Himmel mit den Augen ab. Da kam er bereits mit der unbändigen Kraft eines Meteoriten zurück. So einfach würde er nicht aufgeben. Was tun? Ihn anhören? Aber wozu? Sie wusste schon alles. Ihm klarmachen, dass es sein Untergang war, wenn er bei Orthon blieb? Vielleicht bestand ja noch eine Chance, ihn zu überzeugen? Dank ihrer besonderen Verbindung und nach allem, was zwischen ihnen geschehen war …
    »Oksa, pass auf!«
    Mortimer und Zoé bliesen gleichzeitig in ihre Granuk-Spucks. Tugdual erstarrte nur wenige Meter von Oksa entfernt mitten im Flug zu Glas, gestoppt von zwei Colocynthissen.
    Ein paar Hundertstelsekunden lang schien es, als wäre die Zeit stehen geblieben. Dann tauchte wie aus dem Nichts ein Vertikalierer auf, fasste Tugdual unter den Achseln und verschwand mit ihm in aberwitzigem Tempo.
    »Warum habt ihr das getan?«, schrie Oksa entsetzt.
    Mortimer und Zoé vertikalierten auf Oksa zu.
    »Glaub mir, Tugdual war bestimmt nicht da, weil er so verliebt in dich ist«, fing Zoé an.
    »Woher willst du das wissen?«, flüsterte die Junge Huldvolle zwischen Wut und Tränen.
    »Ach, Oksa … Wie erklärst du dir denn, dass dieser Treubrüchige bei ihm war? Ich weiß nicht, ob du ihn erkannt hast, aber es war Gregor. Wenn Tugdual in guter Absicht gekommen wäre, dann doch wohl allein, oder? Dann hätte er wohl kaum Gregor als Eskorte mitgenommen, der für uns nun wirklich nicht das Geringste übrighat.«
    Oksa starrte sie fassungslos an. In ihrem Kopf ging alles durcheinander, sie war nahe daran, das Bewusstsein zu verlieren.
    »Lasst uns ins Haus zurückkehren, es ist kalt hier«, schlug Mortimer vor.
    Als ihre Freunde sie stützen wollten, stieß Oksa sie mit einer heftigen Geste von sich. Zoé hob beide Hände zum Zeichen, dass sie sie in Ruhe lassen werde, und flog hinter ihr her zur Glaskuppel des Silos, durch die alle drei ins Innere glitten.

Schockwellen
    E ntgegen allen Erwartungen erwähnte Gregor die Eskapade seines Halbbruders ihrem Vater gegenüber nicht. Wieso, das war Tugdual ein Rätsel. Und entgegen Zoés Annahme hatte Tugdual überhaupt nichts von Gregors Gegenwart gewusst, bis dieser ihn an der Küste Cornwalls »entglast« hatte und sie zusammen über den Atlantik zur
Salamander
zurückgeflogen waren.
    Indem er ihm das Leben gerettet hatte – denn sonst wäre Tugdual, das wusste er sehr wohl, im Garten von Abakums Haus in tausend Scherben zerschellt – und nun auch noch Stillschweigen bewahrte, hatte Gregor zwischen ihnen eine neue Verbindung geschaffen. Tugdual war sich noch nicht darüber im Klaren, wie die genau aussah. Wenn Orthon von der Sache erführe, würden sich seine Blitzschläge über beide Söhne gleichermaßen ergießen. Dabei schien der ältere Sohn seinem Vater doch eigentlich vollkommen ergeben zu sein …
    Was spielte er also für ein Spiel? Und was beabsichtigte er mit seinem Schweigen?

    In Abakums Haus glich die Stimmung nach dem Besuch der beiden Halbbrüder einem brodelnden Vulkan. Oksa war wütend, Gus sehr wütend und Pavel über alle Maßen wütend … Alle waren also mehr oder weniger wütend.
    »Was ist, wollt ihr mir jetzt bis an mein Lebensende Vorwürfe machen?«, rief Oksa genervt. »Ich hab’s kapiert, okay? Ja, ich war unvorsichtig. Ja, ich war bodenlos naiv! Ja, ich bin ein sträflich gedankenloser Mensch … Und ja, zum Glück haben Zoé und Mortimer mir beigestanden, wer weiß, was sonst passiert wäre.«
    Regelrecht betäubt von ihrer eigenen Wut hielt Oksa inne. Auch wenn sie körperlich inzwischen siebzehn Jahre alt war, so hatte ihr Charakter sich doch einige seiner … pubertären Eigenschaften bewahrt.
    Zoé saß mit gesenktem Kopf in einer Ecke, die Hände zwischen die Knie geklemmt. Mortimer stand an einem der Fenster im Wohnzimmer, wo sich alle versammelt hatten, und sagte keinen Ton. Doch seine geballten Fäuste und die verkrampften Gesichtszüge ließen ahnen, wie sehr ihn die ganze Sache mitnahm.
    Der Einzige, der sich einigermaßen zurückhielt, war Niall. Wie alle anderen hatte er sich angehört, was vorgefallen war, hatte sich eine Meinung darüber

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