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Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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Rückkehr … ist meine größte Niederlage«, brachte er hervor, doch es verlangte ihm eine kolossale Anstrengung ab.
    In dieser letzten Aussprache verbarg Orthon nun nichts mehr, weder seinen Schmerz noch seinen Groll.
    »Ich wollte dir doch nur zeigen, dass du stolz auf mich sein kannst. Ich wollte dir zeigen, dass ich nicht der schwächliche, ängstliche Junge war, für den du mich immer gehalten hast. Aber egal was ich tue, egal wie ich mich entscheide, du findest immer etwas an mir auszusetzen. Immer …«
    Seine Züge verkrampften sich, und seine Hände fingen an zu zittern.
    »Warum hast du mich immer so kleingemacht?«, fragte er so leise, dass seine Stimme nur noch ein Hauch war. »Warum liebst du mich nicht?«
    »Es war besser … dich nicht zu lieben«, antwortete Ocious.
    »Warum?« Diesmal zerriss die Stimme Orthons die bleierne Stille und ließ alle im Saal erschrocken zusammenfahren.
    »Sei mir … dankbar …«
    »Dankbar?«, wiederholte Orthon zähneknirschend. »Ich soll dir dankbar dafür sein, dass du mich schon als Kind verachtet, schlecht gemacht und erniedrigt hast?«
    »Du warst … so sensibel … Wenn ich dir gezeigt hätte … dass ich dich liebe … dann wärst du nie …«
    Ocious schloss die blutunterlaufenen Augen.
    »Dann wäre ich nie was?«, brüllte Orthon, packte seinen Vater an den Schultern und schüttelte ihn.
    Ocious leistete keinen Widerstand mehr. Er schlug erneut die Augen auf, blickte seinen Sohn an und sagte mit einem letzten Atemzug:
    »Der Mächtigste von uns allen geworden …«
    Sein Kopf fiel zur Seite. Sein Körper hatte aufgegeben.
    Der alte Meister war tot.

Eine hochriskante Operation
    I
nstinktiv wich Oksa zurück, während Orthon seinem Vater behutsam die Augen schloss. Nach einem letzten Blick auf den Mann, der aus ihm gemacht hatte, was er heute war, wandte er sich zu dessen Getreuen um, die in einer Art Schreckensstarre verharrten. Er reckte das Kinn in die Höhe und straffte den Rücken. Dabei strahlte er wieder die gewohnte Härte und Arroganz aus, als wäre das, was eben geschehen war, für ihn bereits abgehakt.
    »Es dürfte allen klar sein, dass ich von nun an der neue Anführer bin«, verkündete er ruhig. »Oder ist einer von euch anderer Meinung?«
    Orthon sah zu Andreas, der wieder bei Bewusstsein war.
    »Mein lieber Bruder, ich habe einen Auftrag für dich«, sagte er mit unverhohlener Genugtuung.
    Mühsam raffte Andreas sich auf, sein gebrochener Arm baumelte nutzlos herab, und er stöhnte vor Schmerz.
    »Kümmere dich um ihn!«, befahl ihm Orthon und zeigte dabei auf Ocious’ Leichnam.
    Wortlos ging Andreas zu dem Toten, nur sein Gesicht verriet seine Qualen. Er küsste seinen Vater auf die Stirn und drehte ihn mit seinem gesunden Arm auf den Rücken. Die Frau mit dem üppigen Haar machte Anstalten, ihm zu helfen.
    »Nein!«, rief Orthon in einem Ton, der keine Widerrede duldete. »Er soll das machen, und zwar allein. Und jetzt raus, alle!«
    Die Treubrüchigen gehorchten. Schweigend verschwanden sie nacheinander durch die Geheimtür. Bevor sie sich wieder schloss, huschte Oksa mit dem zitternden Plemplem und ihrem Wackelkrakeel ebenfalls hindurch. In diesem Moment drang aus dem Saal mit den vier Säulen ein Schrei, der sich mit einer düsteren, mächtigen Energie wie eine Schockwelle durch das ganze Höhlensystem im Maßlosen Massiv ausbreitete. Die Lichter flackerten, und in unzähligen Gängen rieselte Edelsteinstaub von den Wänden.
    Was brachte wohl dieser Schrei zum Ausdruck? Befreiung oder Qual? Triumph oder Niederlage?
    Oksa spürte, wie unter dem Eindruck des eben Erlebten das Adrenalin in Schüben durch ihren Körper schoss. Sie versuchte nach Kräften, die Gedanken an die schreckliche Tat zur Seite zu schieben, um sich auf das zu konzentrieren, weshalb sie hergekommen war.
    »Liebes Krakeel, du musst mir helfen!«, murmelte sie.
    Der geflügelte Kundschafter flatterte vor sie.
    »Zu Diensten, meine Huldvolle!«
    »Wir suchen einen großen schwarzen Metallschrank, in dem das letzte Fläschchen Mauerwandel-Elixier verwahrt wird. Wenn ich mich richtig erinnere, war es kein gewöhnlicher Schrank. Er war mindestens zwei Meter hoch und hatte gut und gern dreißig Fächer.«
    »Hm …«, machte das Wackelkrakeel. »So ein Möbelstück kann nicht zu übersehen sein.«
    »Eben«, sagte Oksa hoffnungsvoll.
    Das Krakeel hob den Kopf und drehte ihn langsam von einer Seite zur anderen, wobei es prüfend die abgestandene Luft

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