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Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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kahlen Schädel.
    »Wir müssen das Durcheinander nutzen, wenn sich das Tor öffnet. Das ist unsere einzige Chance, ebenfalls hindurchzukommen. Wenn wir überstürzt handeln, erreichen wir unser Ziel nie.«
    »Woher weißt du das?«, fragte Andreas kaum hörbar.
    »Ein großer Stratege im Da-Draußen hat einmal gesagt: ›Eine Armee ohne Spione ist wie ein Körper ohne Augen und Ohren.‹«
    Die Treubrüchigen sahen einander schweigend an und in Oksas Kopf wirbelte alles durcheinander. Fragen wie giftige Pfeile. Wer war Orthons Spion? Jemand, der ihr so nahestand, dass er von der bevorstehenden Öffnung des Tors wusste … Ein Mitglied des Pompaments? Aber alle hatten die Gewissensprüfung der Sensibyllen bestanden. Hatte doch einer die Information durchsickern lassen? Das war zwar unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.
    Ihre Überlegungen führten schließlich wieder zu Mortimer zurück. Aber nein. Wenn er in Die-Goldene-Mitte gelangen konnte, dann nur, weil sein Herz nicht das eines Treubrüchigen war. Sonst hätten es die Sensibyllen bemerkt.
    Annikki, Agafons Tochter? Pavel vertraute ihr bis heute nicht voll und ganz. Lag er damit womöglich richtig, trotz des Urteils der Sensibyllen?
    Tugdual? Der Anblick des jungen Mannes im Gang der obersten Etage der Gläsernen Säule kam ihr in den Sinn. Oksa schüttelte den Kopf, als wolle sie verhindern, dass ihr Gedächtnis dieses Bild heraufbeschwor – den Sekundenbruchteil, in dem sie in Tugduals Augen einen unermesslichen Kummer gesehen hatte. Als quälte es Tugdual, dort zu sein, wo er war.
    »Du hast also einen Spion?«, fragte Ocious nach, halb belustigt, halb verärgert. »Wer ist es?«
    Orthon lächelte bloß sarkastisch.
    »Jeder hat seine kleinen Geheimnisse. Was zählt, ist, dass unser treuer Freund, nennen wir ihn mal so, uns beim ersten Anzeichen, dass das Tor sich öffnet, Bescheid geben wird. Und genau dann müssen wir handeln!«
    Ocious blieb völlig unbeeindruckt.
    »Andreas führt den Angriff auf Die-Goldene-Mitte, wenn ich das Zeichen dazu gebe!«, verkündete er stur. »Und das wird morgen bei Tagesanbruch sein.«
    »Du begehst einen schweren Fehler«, erwiderte Orthon leise. Dann wurde er auf einmal ganz ernst. »Vertrau mir, Vater. Lass mich dich zum Tor bringen. Ich bin der Einzige, der das kann.«
    Ocious betrachtete ihn einen Moment lang neugierig. Doch dann verhärteten sich seine Züge wieder, und er rief mit einem bösen Grinsen aus:
    »Was hast du denn schon getan, um mein Vertrauen zu verdienen?!«

Tödliche Geständnisse
    E
s war, als würde es plötzlich um einige Grad kälter im Raum.
    »Die Tatsache, dass ich heute hier bin, sollte diese Frage zur Genüge beantworten«, gab Orthon zurück. Zum ersten Mal in diesem Schlagabtausch wirkte der Treubrüchige persönlich getroffen. Er atmete schnell und stoßweise, und seine Schläfen pochten.
    »Du bist mein Großvater, und du bist ein großer Mann«, schaltete sich nun Gregor ein. Er hatte die Fäuste geballt. »Aber du hast nicht das Recht, meinen Vater so zu behandeln.«
    »Wie ich deinen Vater behandle, geht nur ihn und mich etwas an«, erwiderte Ocious herablassend. »Ich habe all meine Hoffnungen auf meine Nachkommen gesetzt. Das Blut unseres Vorfahren Temistokeles und das huldvolle Blut von Malorane hätten meinen Sohn zu einem Wesen machen sollen, das allen anderen überlegen ist. Und dann hat es das Schicksal auch noch doppelt gut mit mir gemeint, indem es mir Zwillinge geschenkt hat. Aber was haben die beiden aus der großen Chance gemacht, die ich ihnen geboten habe? Meine Tochter hat für eine lächerliche Liebesaffäre alles hingeworfen, und mein Sohn …«
    Sein Blick wanderte zu Orthon und kehrte dann zu Gregor zurück.
    »Mein lieber Sohn Orthon hatte bloß Sinn für Musik und Gedichte, träumte in den Tag hinein oder wollte sich amüsieren. Ich habe alles getan, um ihm klarzumachen, wozu er berufen war und dass er mit diesen unwürdigen Beschäftigungen sein enormes Potenzial nur vergeudete. Sein ganzes Leben hat er verschwendet …«
    »Mein Vater ist ein mächtiger Mann!«, unterbrach ihn Gregor.
    »Mächtig? Ein mächtiger Mann hätte unseren Familienstammbaum nicht verwässert, indem er Kinder mit einer von Da-Draußen zeugt.«
    Gregor stieß einen Wutschrei aus. Er wollte sich schon auf Ocious stürzen, als Orthon ihn am Arm packte und zurückhielt. Für einen Moment wankte seine Selbstbeherrschung, und unverhohlener Hass funkelte in seinen Augen. Dann hatte er

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