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Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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aus der Hand und verstaute es in ihrer Umhängetasche. Dabei sah sie Mortimer mit einer Härte an, mit der sie ihm, wie sie selbst ahnte, wohl unrecht tat. Aber konnte sie ihm wirklich vertrauen? Sie konnte nicht vergessen, dass er Orthon immer geholfen hatte, wenn es darum ging, sie in die Enge zu treiben oder anzugreifen.
    »Ich werde dir helfen, hier herauszukommen«, sagte Mortimer freundlich.
    »Ich schaffe das schon allein, vielen Dank.«
    »Oksa … Ich bin nicht so, wie du denkst. Ich … ich bin nicht wie sie. Was glaubst du wohl, wie sich das alles für mich anfühlt?«
    Oksa biss sich auf die Wange.
    »Ich habe mich entschieden«, fuhr er fort. »Hier habe ich nichts mehr verloren.«
    Gerade wollte Oksa ihm erzählen, dass sie von seiner Absicht wusste, sich auf ihre Seite zu schlagen, als draußen im Gang Lärm ertönte.
    Beide zuckten zusammen.
    »Komm!«, rief Mortimer und zeigte zur Tür.
    »Warte! Mein Plemplem und mein Wackelkrakeel sind noch da drüben. Ohne sie kann ich nicht gehen.«
    Plötzlich kam der Durchscheinende Oksa gefährlich nahe. »Und ich kann Euch nicht gehen lassen, ohne Euren betörenden Duft gekostet zu haben.«
    Und er begann, sie mit seinen großen, von einem milchigen Schleier überzogenen Augen zu hypnotisieren. Als Oksa gegen ihren Willen in seine Augen sah, spürte sie sofort die Wirkung. Der Durchscheinende war ihr jetzt so nahe, dass sie das Blut in seinen Adern nicht nur sah, sondern es auch rauschen hörte.
    »Lass sie in Ruhe!«, befahl Mortimer.
    Seine Faust krachte dumpf auf den Kopf des Durchscheinenden. Der drehte sich überrascht und wütend um und stieß ein unheimliches Fauchen aus. Mortimer ließ sich davon nicht einschüchtern, sondern rief seine Phosphorille in sein Granuk-Spuck zurück und tauchte damit den Raum in ein für den Durchscheinenden schmerzhaftes Zwielicht. Dann packte er Oksa am Arm, um sie zu der Mauer aus schwarzem Kristall zu ziehen.
    »Komm schnell, wir müssen uns beeilen!«, sagte er und drang in die Wand ein, als wäre sie aus Watte.
    »Mortimer!«, rief Oksa voller Panik.
    Er war schon halb in der Wand verschwunden, drehte sich jetzt aber blitzschnell um. Der Durchscheinende hatte Oksa am Arm gepackt. Ihr Granuk-Spuck war auf den Boden gefallen, sie war unbewaffnet und wehrlos.
    »Gebt mir Eure Liebesgefühle, und ich lasse Euch am Leben«, knurrte das Ungeheuer. »Gebt sie mir! Ich brauche sie!«
    Mortimer zog an ihrem einen Arm, der Durchscheinende am anderen. Und seine Gier machte ihn zum Stärkeren. Seine Krallen gruben sich in Oksas Arm, und je mehr sie sich zur Wehr setzte, desto schmerzhafter bohrten sich die Nägel in ihre Haut. Blut tropfte auf den Steinfußboden. Dem Durchscheinenden lief das Wasser im Mund zusammen. Er leckte sich mit seiner kurzen schwarzen Zunge den Mund, und seine Nasenschlitze weiteten sich beim Gedanken an die Dosis Verliebtheit, die er gleich aufschnuppern würde.
    »Lass mich los, Mortimer!«, rief Oksa in Panik.
    Mortimer zögerte kurz und gab dann nach. Im nächsten Moment griff Oksa mit ihrer freien Hand nach ihrem Granuk-Spuck und führte es zum Mund.
    Niemals hätte sie geglaubt, dass sie die Crucimaphilla so bald brauchen würde.
    Niemals hätte sie geglaubt, dass sie überhaupt dazu imstande wäre.
    Über dem Durchscheinenden bildete sich eine Spirale, düster wie eine mondlose Nacht. Sie drehte sich erst langsam, dann immer schneller. Das Wesen hob den Kopf und wurde von Entsetzen ergriffen. Abrupt ließ es Oksa los und versuchte zu entkommen. Doch die Crucimaphilla verfolgte es unerbittlich.
    Das schwarze Loch schwebte über dem Schädel des Durchscheinenden, tauchte hinab und stürzte ihn in eine namenlose Panik. Dann schien die Zeit stehen zu bleiben.
    Das schwarze Loch weitete sich.
    Bis der Durchscheinende schließlich explodierte.
    Erschüttert sah Oksa zu der kleinen schwarzen Wolke, die das widerwärtige Wesen aufgesogen hatte.
    »Mein Gott … wie furchtbar!«
    Mortimer kam rasch zu ihr hinüber. Ihn verband eine schmerzliche Erinnerung mit der Crucimaphilla: Es war noch gar nicht so lange her, dass sein Vater im Keller seines Londoner Hauses in so einer schwarzen Wolke explodiert war. Auch wenn Orthon es am Ende überlebt hatte – für Mortimer blieb es ein traumatischer Anblick. Allerdings dachte er auch an Zoé, die er wie eine Schwester liebte und der dieser Durchscheinende ihre Zukunft geraubt hatte.
    »Er hat es nicht anders verdient«, sagte er bitter.
    »Er war der Letzte«,

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